Standard: Wie ist der Reformdialog gelaufen?

Jürgen Stöttinger: Es war eine nette mediale Veranstaltung. Was allerdings sehr gefehlt hat, war die Einbindung der Schülervertreter. Wir waren zu zweit. Das kann nicht die Vorstellung eines Schülers von Dialog sein.

Standard: Wie beurteilst du den möglichen Fall der Zweidrittelmehrheit?

Stöttinger: Das ist sehr positiv. Er soll aber mit Sicherheiten gekoppelt sein, wie der Schulgeldfreiheit. Gravierende Reformen werden trotzdem nicht kurzfristig umgesetzt werden, denn die Öffentlichkeit wird nicht zusehen, wie alle vier Jahre das Schulsystem gewechselt wird.

Standard: Was ist eure Position zur Ganztagsschule?

Stöttinger: Wir fordern eine regionale Bildungsplanung, in der erhoben wird, was vor Ort benötigt wird. Das ist durchaus über Bund und Länder finanzierbar. Das muss uns Bildung schon wert sein.

Standard: Wie steht ihr zum Modell einer Gesamtschule?

Stöttinger: Wir fordern eine Erweiterung der Volksschule auf fünf Jahre und anschließend die Beibehaltung des differenzierten Systems. Es soll individuelle Betreuung und einen früheren Schuleintritt mit einem Screening geben, in dem Defizite erhoben werden. Wesentlich bei der Qualitätsentwicklung ist, dass Schüler Lehrern Feedback geben.

Standard: Wie läuft das ab?

Stöttinger: Nach unserem Modell soll jeder Lehrer Feedback von drei Klassen bekommen. Wenn dieses nachhaltig schlecht ist, soll es bedarfsorientierte verpflichtende Weiterbildung geben.

Standard: Was, wenn das Feedback schlecht bleibt?

Stöttinger: Dann kann es so weit gehen, dass das Dienstverhältnis gekündigt wird. Diese Möglichkeit sollte auf jeden Fall bestehen. Es gibt Lehrer, die schon bekannt sind. Ruft man beim Stadtschulrat an,um sich zu beschweren hört man oft: "Ah, denn kennen wir schon." Aber wieso passiert dann nichts? Das sind zwar nur Einzelfälle und man darf da auch nicht verallgemeinern. Dennoch kann man gegen diese Lehrer eben nur sehr schwer etwas machen.

Standard: Denkst du, man hat Pisa zu ernst genommen?

Stöttinger: Medial schon. Letztlich ist es aber gut, dass das aufgebauscht wurde, dadurch ist die Regierung unter Zugzwang geraten und längst fällige Reformen werden jetzt hoffentlich umgesetzt.

(DER STANDARD-Printausgabe, 22.2.2005)