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Ahmed Chalabi, Exliebling des Pentagon (rechts), und der Chef der Dawa-Partei Ibrahim al-Jafari. Letzterer wurde von den Schiiten als Premier vorgeschlagen.

Foto: EPA/ALI HAIDER
Bagdad/Wien - Drei Wochen nach den Wahlen im Irak steht fest, wer neuer interimistischer Ministerpräsident werden soll: Ibrahim al-Jafari (58) wurde am Dienstag von der siegreichen schiitischen Parteienkoalition Vereinigte Irakische Allianz (UIA) als deren Kandidat aufgestellt.

Die UIA hält mit 140 Sitzen (von 275) im Parlament eine relative Mehrheit und mehr Mandate als die beiden nächstgereihten Listen (die Vereinte Kurdenliste mit 75 und die "Irakiya" von Premierminister Iyad Allawi mit 40 Sitzen). Für eine Regierungsbildung braucht die UIA zwar eine Zweidrittelmehrheit; es gilt aber als wahrscheinlich, dass sie die nötigen Stimmen von den Kurden bekommt, die im Gegenzug auf die Zustimmung der UIA zählen, Jalal Talabani (Patriotische Union Kurdistans) zum Präsidenten zu machen.

Die Einigung auf einen Premier - bestimmt die leichteste der Aufgaben, der sich die irakische Politik nun stellen muss - hatte sich zuletzt in die Länge gezogen. Dabei sah nach den Wahlen am 30. Jänner alles ziemlich einfach aus: Innerhalb der siegreichen UIA, so dachte man, seien die beiden religiösen Schiitenparteien, Sciri (Höchster Rat für die Islamische Revolution im Irak) und Dawa (Ruf), die stärksten Fraktionen, die die Sache mehr oder weniger unter sich ausmachen würden. Der jetzige Vizepräsident Ibrahim al-Jafari (Dawa) und Finanzminister Adel Abdul Mahdi (Sciri) waren von Beginn an Favoriten.

Offensichtlich ist jedoch die UIA zersplitterter als angenommen, auch nach dem Rückzug Abdul Mahdis - den die USA wahrscheinlich bevorzugt hätten, es gibt von ihm Aussagen zugunsten der Privatisierung des Ölsektors - konnte Jafari keine Ad-hoc-Mehrheit in der UIA bekommen, was hieße, dass Sciri und Dawa gemeinsam weniger als die Hälfte der 140 UIA-Parlamentssitze kontrollieren (bei den meisten zukünftigen Parlamentariern ist die genaue Affiliation nicht bekannt).

Darum kamen zuletzt wieder andere UIA-Kandidaten ins Spiel, wie Ahmed Chalabi, dessen Irakischem Nationalkongress (INC) höchstens zehn der 140 Mandate zugeschrieben werden. Aber offensichtlich betrachtete sich Chalabi für andere, nicht zu Sciri oder Dawa gehörende Schiiten in der UIA als wählbar.

Am Dienstag gab er jedoch auf, zuvor hieß es, der Sciri habe ihm den Posten einer Art von Finanzsuperkontrolleur des Irak angeboten. Falls dies zutrifft, wird es nicht unkritisiert bleiben: Um die Geschäftsgebarung Chalabis gab es immer wieder Gerüchte. Aber Chalabi, der einstige Liebling des Pentagons, als Ministerpräsident: Das wäre überhaupt eine Delegitimierung der neuen Regierung in den Augen vieler Iraker gewesen. Wirklich realistisch waren seine Chancen deshalb nie, dass er nicht gratis verzichtet hat, davon kann man jedoch ausgehen.

Auch der jetzige Interimspremier, Iyad Allawi, gibt sich noch nicht geschlagen. Sein Profil - säkularer Schiite - ist dem Chalabis, mit dem er auch verwandt ist, nicht unähnlich. Er wäre der Gewinner gewesen, wenn sich die UIA zerstritten hätte. Dass Allawi aber nun, mit einem klaren UIA-Kandidaten, mit seinen 40 Mandaten auf die im Parlament nötigen 182 Stimmen für seine Wahl kommen könnte, ist nicht abzusehen. Dazu würde es nicht einmal genügen, die Kurden auf seine Seite zu ziehen. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.2.2005)