Schule
Zurück zum Unterricht!
Gerade die Volksschule wird sich in Zukunft wieder mehr ihrem "Kerngeschäft", dem grundlegenden Erlernen der Kulturtechniken, zuwenden müssen
Eines haben die Forderungen nach Ganztags- und
Gesamtschule, nach der
Fünftage-Woche, der Aufhebung der Zweidrittelmehrheit
bei Schulgesetzen, dem Abschaffen des Sitzenbleibens
oder nach längeren Lehrerdienstzeiten gemeinsam:
Nichts davon ist hinsichtlich
der bei der Pisa-Studie gemessenen schwachen Leseleistungen österreichischer
Schüler/innen wirklich relevant! Und
was haben
all die Experten gemeinsam,
die seit Wochen derartige Leierkastenformeln von
"neuer"
Schule propagieren? – Wenig
pädagogischen Hausverstand.
Und vor allem: Sie haben sich
offensichtlich nie mit lese-
rechtschreibschwierigen Kindern beschäftigt. Denn für das
Erlernen von Lesen, Rechtschreiben und Sprechen sind
nicht die großen Organisationsfragen der Schule maßgeblich, entscheidend ist etwas ganz anderes: Nämlich –
so banal das klingen mag – die
Frage, wie die Unterrichtszeit
für den Erwerb dieser Fertigkeiten genutzt wird. Und in
dieser Hinsicht hat sich gerade in der Grundschule in den
vergangenen Jahrzehnten vieles zum Nachteil der Schülerleistungen verändert.
Zum einen müssen Lehrer
im Schlepptau leistungsfeindlicher Ideologien immer mehr
Unterrichtszeit für Unterrichtsferne Aktivitäten verwenden, zum anderen treibt
eine sich fortschrittlich gebende Schulmethodik im Rechtschreiben und Lesen besondere Blüten:
An die Stelle der altbewährten und sehr effektiven Formen des geplanten, konzentrierten Übens und Einprägens sind die Maxime eines
pädagogischen Zeitgeists getreten, demzufolge Lernen immer spielerisch zu sein hat
und vor allem "Spaß" machen
muss.
Handlungsbedarf
In Klassen, die vollgerammelten Kinderspielzimmern
gleichen, werden Schüler/innen geradezu überschüttet mit
ineffizienten Materialien, mit
"Easy
learning"-CDs, mit Stößen von Arbeitsblättern in verwirrend-"lustiger" Aufmachung, überfrachtet mit ablenkender Grafik.
Aber wer in der Schule immer nur nach dem Lustprinzip
Lückentexte ausgefüllt und
Wortblasen in Comics gelesen
hat, kann auch mit zehn Jahren noch keinen zusammenhängenden Satz sprechen
oder den Inhalt eines längeren
Textes verstehen.
Gerade die Volksschule
wird sich in Zukunft wieder
mehr ihrem "Kerngeschäft",
dem grundlegenden Erlernen
der Kulturtechniken, zuwenden müssen.
Dabei geht es nicht um unnötigen Leistungsdruck und
Schulangst, aber verstärkt
wieder um stringentere Klassenführung und wohl auch
um eine diszipliniertere
Arbeitshaltung bei Lehrern
und Schülern.
(DER STANDARD-Printausgabe, 22.2.2005)