Brüssel - Die EU-Außenminister wollen Kroatien am Montag ultimativ auffordern, den wegen Kriegsverbrechen angeklagten General Ante Gotovina an das UNO-Kriegsverbrechertribunal (ICTY) auszuliefern, wenn die EU-Beitrittsverhandlungen wie geplant am 17. März eröffnet werden sollen. Kroatien verliert in der EU zunehmend an Unterstützung, verlautete am Freitag aus Diplomatenkreisen in Brüssel. Selbst bisherige Verbündete wie Österreich und Ungarn unterstützen die verschärfte Gangart gegenüber Zagreb.

UNO-Chefanklägerin Carla Del Ponte hat in einem Brief an die Luxemburger EU-Ratspräsidentschaft unterstrichen, dass sich Gotovina im Einflussbereich der kroatischen Regierung befindet. Vertreter der kroatischen Regierung hätten unlängst bei einem Treffen mit dem General, vermutlich in Bosnien-Herzegowina, nicht die Gelegenheit zur Festnahme ergriffen. Nach Einschätzung Del Pontes erfüllt Zagreb daher nicht die EU-Forderung nach vollständiger Zusammenarbeit mit dem Tribunal. Bei einem Besuch in Warschau hatte die UNO-Chefanklägerin am Donnerstag erklärt, sie habe aktuelle Informationen, wonach sich Gotovina nunmehr in Kroatien aufhält.

Mesic: "Immer mehr Beweise, dass Gotovina nicht in Kroatien ist"

Der kroatische Präsident Stjepan Mesic rechnet weiterhin damit, dass die EU-Beitrittsverhandlungen mit seinem Land wie geplant am 17. März beginnen werden. In einem Interview mit der Tageszeitung "Vjesnik" (Freitagausgabe) räumte er aber ein, dass in diesem Zusammenhang bisher "offensichtlich nicht alles Notwendige unternommen" worden sei. Zum Fall des vom Haager Kriegsverbrechertribunal (ICTY) angeklagten Generals Ante Gotovina, dessen Flucht den Termin in Frage stellt, erklärte Mesic : "Es gibt immer mehr Beweise, dass er nicht in Kroatien ist."

Der Präsident, der am Freitag in Zagreb zu seiner zweiten Amtszeit angelobt wurde, äußerte im Gespräch mit "Vjesnik" die Vermutung, dass Aktivitäten der Vergangenheit für den derzeitigen Druck seitens der UNO-Chefanklägerin Carla del Ponte und der EU verantwortlich seien: "Kroatien hat früher Leute gedeckt, die der Kriegsverbrechen verdächtigt wurden. Daher liegt der Schluss nahe: Wenn sie es früher gemacht haben, wer kann dann sagen, dass sie heute nicht wieder tun? Das ist das ganze Problem."

Mesic zeigte sich jedoch überzeugt, dass seitens der kroatischen Obrigkeit derzeit niemand Gotovina schütze. Allerdings werde der General von vielen Kroaten "als Held des Unabhängigkeitskriegs von 1991 bis 1995" gesehen. Der Präsident selbst will in den kommenden Wochen seine guten Beziehungen zu vielen Staatsoberhäuptern für persönliche Kontakte nützen und versuchen, Kroatiens Standpunkt und Sichtweise darzulegen. Er habe bereits einen Brief an den französischen Präsidenten Jacques Chirac geschrieben und werde beispielsweise Anfang März nach Brüssel fahren.

Eine mögliche Verschiebung des Beginns der EU-Beitrittsgespräche sei aber kein Grund für Neuwahlen, meinte Mesic. "Neuwahlen wären notwendig, wenn das Problem der Arbeitslosigkeit nicht gelöst wird, die Wirtschaft nicht in Schwung gebracht werden kann oder die Privatisierungskriminalität nicht verfolgt wird." (APA/Red)