Ein bis zwei Stunden pro Tag sei der Papst belastbar: Das sagen übereinstimmende Quellen im Vatikan über die Monate vor seiner Erkrankung. Wichtige Bischofsernennungen, die mit Richtungsentscheidungen gleichzusetzen sind, treffe er immer noch selbst.

Die Vorgangsweise: Es werden ihm "kurze Dossiers" vorgelesen. Sie sind die Basis für die Entscheidungen von Johannes Paul II., die er vor allem mündlich treffe. Gemessen an den körperlichen Beeinträchtigungen funktioniere sein Verstand erstaunlich gut.

Formal Chef des Vatikans ist Kardinal-Staatssekretär Angelo Sodano, seine Funktion ist die eines "Ministerpräsidenten". Naturgemäß näher steht dem Papst der "Glaubenshüter" Joseph Ratzinger, der ziemlich solo, weil immer seltener im Verein mit dem Pontifex, die Kirchenlinie bestimmt.

Organisatorischer Kopf ist im Vatikan der Chef der Bischofskongregation, Giovanni Re - der Personalchef eines so riesigen Apparats hat immer eine besonders starke Machtposition. Wer direkt zum Papst Zutritt hat, das bestimmt der polnische Privatsekretär Stanislaw Dziwisz. Wobei es schon vorkommt, dass Dziwisz bei Konferenzen oder Delegationen kirchenkritische Personen von der Gästeliste streicht.

Das Problem, vor dem der Vatikan steht: Was ist, wenn der Papst nicht mehr schreiben, nicht mehr sprechen kann? So weit hätte ihn dann nicht nur sein starker Lebenswille, sondern auch die moderne Medizin gebracht. (red/DER STANDARD, Printausgabe, 18.1.2005)