Belgrad - "Die Politisierung des Kosovo-Problems und die Behauptungen, dass der Kosovo das serbische heilige Land sei, müssen der Vergangenheit angehören." Diesen Standpunkt vertrat der Führer der "Serbenliste für Kosovo und Metohija", Oliver Ivanovic, nach dem ersten Besuch eines serbischen Staatschefs im Kosovo seit dem Kriegsende im Jahre 1999. "Der Weg für die Lösung von Kosovo-Problemen führt durch den Dialog, wenn notwendig auch durch einen endlosen Dialog", kommentierte der Kosovo-Serbe am Dienstag die zweitägige Visite von Boris Tadic in der Provinz gegenüber dem Belgrader Sender B-92.

Neue Perspektive

Ivanovic, dessen Liste bei der Oktober-Wahl acht Sitze im Kosovo-Parlament erhielt, ist einer jener kosovo-serbischen Politiker, die den ersten Besuch des serbischen Staatschefs in der Provinz besonders unterstützten. Seiner Ansicht hatte Tadic eine neue Auffassung des Kosovo-Problems bekundet. Er sei allerdings nicht sicher, dass in Belgrad auch eine volle Einheit darüber herrsche. Noch immer gebe es Menschen, die eine energischere Politik, ja, auch Einschüchterungen befürworten würden, meinte Ivanovic.

Medien sprechen von "Provokation"

Tatsächlich haben sich lokale Serbenführer, die auf Anraten der Regierung des serbischen Ministerpräsidenten Vojislav Kostunica die Parlamentswahl im Kosovo boykottiert hatten, zum Besuch von Tadic nicht geäußert.

Während Ivanovic von einer neuen Auffassung spricht, bezeichnen kosovo-albanische Medien den Besuch von Tadic meist als "Provokation". Der serbische Staatschef unterstrich im Kosovo nämlich wiederholt, dass die Unabhängigkeit der Provinz für ihn unannehmbar sei. "Ich bin gekommen, um die Botschaft des Friedens zu überbringen, und jenen, die meinen Besuch als eine Provokation bezeichnen, zu erläutern, dass die Präsenz des Staates und seiner Symbole ein legitimes Recht ist", fügte Tadic am Montag im serbisch-orthodoxen Kloster Decani hinzu.

Vorwürfe im Raum

Die in Pristina erscheinende Tageszeitung "Zeri" meint am Dienstag, dass man einen konstruktiveren Standpunkt vom Tadic erwartet habe. Der Provinz-Präsident Ibrahim Rugova hat laut dem Blatt seinen Landsleuten versichert, dass Äußerungen wie jene von Tadic von keiner Tragweite seien und sich auch auf die Entscheidung nicht auswirken würden, die Unabhängigkeit des Kosovo anzuerkennen.

Der serbische Präsident war während des zweitägigen Kosovo-Aufenthaltes mit keinem albanischen Politiker zusammengekommen. Ein Treffen mit dem Kosovo-Regierungschef Ramush Haradinaj hatte er gar völlig ausgeschlossen, solange die Vorwürfe von Kriegsverbrechen nicht vom Tisch sind.

Die serbische Regierung bezeichnete den Besuch von Tadic knapp als einen "guten Schritt". Ausführlichere Kommentare blieben aus, nicht zuletzt auch wegen der Rivalität, die zwischen dem serbischen Regierungschef Vojislav Kostunica und dem Präsidenten existiert. Kostunica hatte für die Überraschung gesorgt, als er am 7. Jänner der orthodoxen Weihnachtsmesse im Patriarchat von Pec im Westkosovo beiwohnte. Es handelte sich um eine Blitzvisite, bei der sogar Kontakte zu lokalen Serben ausgeblieben waren. (APA)