Wien - Vom Pittsburgh Symphony Orchestra hat er sich verabschiedet, da in Europa plötzlich viel zu tun war. Mariss Jansons wurde nun nicht nur Chef des Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunk; auch das Königliche Concertgebouw Orchester in Amsterdam hat ihn als Leiter engagiert. Aller guten Dinge sind also zwei - nach einem Herzinfarkt eine gute Einschätzung. Daneben ist der Lette ja auch in Wien bei den Philharmonikern und in Berlin wohl jederzeit erwünscht. Auch gehört ihm das nächste Neujahrskonzert.

Nimmt man das Mahler-Konzert im Musikverein, zusammen mit den Gästen aus Amsterdam zelebriert, könnte es eine gefühlsintensive Angelegenheit werden. Bei Mahlers sechster Symphonie ist Jansons - vergleicht man die Aufführung mit der Aufnahme, die er mit dem London Symphony Orchestra vorgelegt hat - zwar etwas flotter geworden. Breit sind die Tempi allerdings immer noch. Zum Nachteil wird dies allerdings nur im ersten Satz. Plötzlich scheint das Formgefüge nicht mehr stimmig und kompakt, zumal Jansons das wunderbar dunkel klingende Orchester etwas gar dick auftragen lässt und in exponierten Tutti-Passagen alles etwas breiig und wenig abgestuft wirkt.

Mahlers Riesenformen brauchen jedoch den deutlich ausdirigierten Kontrast zwischen Schummrigkeit und Süße, um die Gestalt vollends zur Entfaltung zu bringen. Bei Jansons scheint dann aber alles auf das Finale angelegt zu sein, als würde er das Werk zunächst eindunkeln und versüßen wollen, um schließlich im vierten Satz jenen farbintensiven Kosmos noch deutlicher und dann auch ins Bedrohlich-Grelle geschärft zur Entfaltung zu bringen.

Das Finale ist gleichsam ob seiner Dimension ein Werk in sich, und das Concertgebouw Orchester liefert (auf der Basis von Exaktheit) den Beweis ab, dass in ihm mehr steckt als nur jener opulente Sound der Romantik. Hätte man den Ansatz des Finales auf das ganze Werk ausgedehnt, wär's noch berückender gewesen. (DER STANDARD, Printausgabe, 15.02.2005)