Die Definition des Wertes "Bildung" fällt dem zuständigen Minister der kanadischen Provinz Alberta, Gene Zwozdesky, nicht zuletzt ob der finanziellen Kapazitäten des erdölreichen Territoriums leicht. "Wenn man ein Weltklasse- Bildungssystem haben will, muss man auch bereit sein, dafür zu investieren", sagt Zwozdesky und setzt dieses Motto mit rund 2,5 Milliarden Euro pro Jahr auch in die Praxis um.

Doch nicht nur die höchste Investition pro Kopf und die bestbezahlten Lehrer (mit einem Durchschnitts-Jahreseinkommen von 25. 000 Euro) sind für das gute Abschneiden Albertas bei Pisa 2003 verantwortlich. Sprachentalent Zwozdesky – der die acht anwesenden Journalisten nicht nur in ihrer jeweiligen Mutter^sprache begrüßt, sondern darüber hinaus in Spanisch und Bahasa (die Nationalsprache Malaysias) trittfest ist – betont im Videokonferenz- Gespräch mit dem Standard auch die Bedeutung ebendieser Technologie für den Unterricht in der viertgrößten Provinz Kanadas.

Zwozdesky selbst steht für die Sprachenvielfalt seines Landes: Kanada gilt als eines der Immigrationsländer – über 60 Prozent der Einwanderer kommen allein aus Asien. Im Schulsystem funktioniert die Integration der verschiedenen Nationalitäten weit gehend problemlos. Matt Christison, Direktor an der Ernest Manning High School in Calgary, zählt allein unter seinen 1026 Schülern 37 verschiedene Sprachen. Der Nebeneffekt für ihn: "Auch die Zahl jener Lehrer, deren Muttersprache nicht Englisch ist, wächst." Wie in ganz Kanada verfolgt man auch in Alberta eine andere Politik im Umgang mit Immigranten als in Österreich. Ihr Potenzial wird als Bereicherung für die Gesellschaft verstanden. Einwanderer werden mehr in der Bewahrung ihres kulturellen Hintergrundes bestärkt denn zur Assimilierung gezwungen. Was passiert mit jenen Kindern, die über zu wenig Sprachkenntnisse verfügen, um im Unterricht mitzukommen? "English as second language" (also als Zweitsprache) heißt die kanadische Lösung zur Überwindung von Sprachbarrieren. Schüler, die Probleme mit Englisch haben, bekommen zusätzlichen Sprachunterricht, bleiben dabei aber entsprechend ihren Fähigkeiten im Klassenverband.

Diese Vorgehensweise – in Kombination mit jenen Zwischentests, die in Alberta auch in der dritten, sechsten und neunten Schulstufe stattfinden (plus "diagnostic testing", wo die Stärken und Schwächen jedes einzelnen Schülers erhoben werden) – führt für Provinz-Bildungsminister Zwozdesky zu den herausragenden Ergebnissen bei Pisa 2003: Platz eins auch im internationalen Vergleich im Bereich "Lese^fähigkeit" – sogar Gesamtsieger Finnland liegt hier hinter Alberta. Die rund 600.000 Schüler aus Westkanada zeigen auch Stärke im Bereich Mathematik. Im Mittel erzielten sie 550 Punkte in dieser Kategorie – gleichauf mit Hongkong. In den Naturwissenschaften ist man nicht ganz so gut. Ähnlich wie in Österreich haben hier vor allem die Mädchen Probleme. Diese zu lösen ist wiederum Albertas Stärke. In der Kategorie Problemlösen ist man bei den besten fünf. (Karin Moser aus Calgary/DER STANDARD-Printausgabe, 15.2.2005)