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Eine Lunge, abgebildet mit gängiger Röntgentechnik. Ein neues Verfahren soll eine permanente Überwachung des Organs ermöglichen.

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Ödeme, also Flüssigkeitsansammlungen etwa im Gehirn oder der Lunge, gehören zu jenen Erkrankungen, für deren kontinuierliche Überwachung nach wie vor nur unzureichende Methoden zur Verfügung stehen. Um einen gefährlichen Druckanstieg durch ein Gehirnödem permanent zu kontrollieren, muss dem Patienten eine Gehirndrucksonde implantiert werden, was neben der Belastung durch den Eingriff auch das Risiko einer Infektion mit sich bringt. Zwar können auch nicht invasive Methoden wie Magnetresonanz-Tomografie (MRT) oder Computertomografie (CT) eingesetzt werden, mit diesen Verfahren ist aber keine kontinuierliche Überwachung möglich.

Ähnlich ist die Problematik beim Lungenödem: Nach lang dauernden Operationen im Bereich des Brustkorbs kann sich in der Lunge Wasser ansammeln. Dabei werden die Wände der Lungenbläschen durch Wassereinlagerungen verdickt, wodurch sich die Sauerstoffversorgung des Körpers verschlechtert. In schweren Fällen kommt es zur Einwanderung von Wasser in die Lungenbläschen, die dann nicht mehr am Gasaustausch teilnehmen - ein lebensbedrohlicher Zustand, da die gesamte Sauerstoffversorgung zusammenbrechen kann. Es wäre deshalb extrem wichtig, die extrazelluläre Flüssigkeitsverteilung laufend unter Kontrolle zu haben. Aber auch hier stehen die Mediziner vor dem Problem, dass sich die entsprechenden unblutigen Messmethoden wie CT und MRT nicht kontinuierlich im Operationssaal oder auf der Intensivstation einsetzen lassen.

Als Ausweg bleibt zurzeit deshalb nur die Anwendung einer invasiven Technologie, bei der Katheter ins Blutgefäßsystem eingeführt werden müssen.

Die Lösung könnte eine neue bildgebende Methode bringen, die so genannte Magnetische Induktions-Tomografie (MIT), mit der man die elektrische Leitfähigkeit in einer bestimmten Körperregion abbilden kann. Die Leitfähigkeit wiederum lässt Rückschlüsse auf bestimmte krankhafte Veränderungen wie etwa eine gestörte Wasserverteilung im Gewebe zu. Die großen Vorteile dieser innovativen Technologie: Sie kann kontinuierlich während einer Operation oder am Krankenbett eingesetzt werden. Da sie berührungslos funktioniert, müssen am Patienten auch keine operativen Eingriffe vorgenommen werden. Im Vergleich zu MRT oder CT ist diese Methode überdies auch noch relativ kostengünstig.

Eine der weltweit führenden Forschergruppen, die sich mit der Entwicklung dieser neuen Monitoringmethode beschäftigen, sitzt am Institut für Medizintechnik der Grazer Technischen Universität. "Durch die Förderung des Wissenschaftsfonds war es uns möglich, hier vor drei Jahren diesen Arbeitsschwerpunkt zu etablieren", berichtet Projektleiter Hermann Scharfetter.

Wie funktioniert nun diese Technologie? Bei der Induktion geht es grundsätzlich darum, durch wechselnde Magnetfelder sehr schwache elektrische Ströme im Körpergewebe zu erzeugen. Der am Institut entwickelte Prototyp des Messsystems besteht aus 16 Sende-Spulen, mit denen man ein elektromagnetisches Feld im Radiofrequenzbereich anlegt, welches in den Körper eingekoppelt wird. Mit 14 Empfangsspulen wird jenes elektromagnetische Feld gemessen, das auf der anderen Seite des Körpers ankommt. "Dabei wird deutlich, dass sich das ursprünglich eingekoppelte Feld beim Durchdringen des Körpers verändert", erklärt Scharfetter. "Diese Veränderung ist direkt abhängig von der elektrischen Leitfähigkeit im untersuchten Körperbereich, die man aus den erfassten Daten rückrechnen kann." Da die Leitfähigkeit wiederum direkt mit der Wasserverteilung im Gewebe in Verbindung steht - sie steigt, wenn Wasser eingelagert wird -, kann man über diesen Umweg zu jenen Daten kommen, die bislang nur invasiv oder eben nicht lückenlos erfasst werden konnten. Eine andere Anwendung der auch auf magnetische Eigenschaften empfindlichen MIT ist die Bestimmung des Eisengehalts in der Leber bei Eisenstoffwechselerkrankungen (zum Beispiel Hämochromatose).

Der Aufbau einer Versuchsanlage ist technologisch eine große Herausforderung, weil Signaländerungen gemessen werden müssen, die bis um den Faktor 107 kleiner sind als das eingekoppelte Feld. "Die Genauigkeit dieses Messvorgangs ist in etwa so hoch, wie sie für die exakte Erfassung einer Längenänderung um einen Zehntelmillimeter bei einer einen Kilometer langen Eisenbahnschiene sein müsste", verdeutlicht Scharfetter die Anforderungen an die Sensibilität des Hightech-Geräts.

Um aus diesen Daten schließlich aussagekräftige Bilder der entsprechenden Körperregionen zu erhalten, arbeiten die Forscher mit Bilderzeugungsalgorithmen, die sie gemeinsam mit ihren Kooperationspartnern am Institut für Grundlagen und Theorie der Elektrotechnik an der Grazer TU entwickeln. "Wir können von der Hardwareentwicklung bis zur Bildrekonstruktion praktisch alle Entwicklungsbereiche vor Ort abdecken - das macht unseren Erfolg aus", freut sich Hermann Scharfetter.

Auf den klinischen Einsatz der MIT wird man allerdings noch länger warten müssen: "Noch befinden wir uns in einem relativ frühen Entwicklungsstadium." Dennoch - die bisherigen Ergebnisse belegen, dass man schon einen weiten Weg auf den mühsamen Ebenen der Grundlagenforschung zurückgelegt hat. So konnte man mithilfe von Simulationen bereits nachweisen, dass örtliche Leitfähigkeitsveränderungen des Gehirngewebes mittels MIT detektiert werden können. Ausgehend von diesen Ergebnissen wurden mit dem MIT-Prototyp reale Versuche an biologischen Geweben (als am geeignetsten hat sich Gemüse erwiesen) durchgeführt. "Tatsächlich", sagt Scharfetter, "konnten wir in den rekonstruierten Bildern die Leitfähigkeitsstörungen als farbige Flecken erkennen."

Zwar ist die MIT-Technologie für den medizinischen Bereich hochinteressant, eingesetzt werden könnte sie aber auch für völlig andere Zwecke: etwa, um in industriellen Pipelines den Partikelfluss zu kontrollieren oder für die nicht destruktive Materialmessung: "Wenn man Materialschäden erfassen will, die von außen nicht erkennbar sind, ist die MIT eine mögliche Methode", ist Scharfetter überzeugt. "Unsere Ergebnisse sind für diese Anwendungen sehr ermutigend, da die zu erwartenden Signale bei technischen Objekten oft wesentlich deutlicher sind als bei biologischen." (Doris Griesser, DER STANDARD, Print, 12.2.2005)