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Valie Export in der Ausstellung 'Valie Export'

FOTO: APA/ BIRGIT LEHNER
Einer österreichischen Zigarettenmarke entlieh sie ihren Namen. Erweiterung und Überwindung charakterisieren ihr Konzept.


Klosterneuburg – Rauchen konnte man früher immer und überall. Und es gab auch noch Weichpackungen. Auf jener der Marke Smart Export hat die österreichische Tabakregie pädagogisch wertvoll vermerkt: "Semper et ubique." Und also kam jeder Zug wie ein Hauch von weiter Welt. Einer jungen Frau aus Linz hat das mächtig imponiert.

Export war genau das, was sie vorhatte. Und Handeln, endlich zur Tat schreiten, umsetzen, hinausgehen und die Welt zur Rede stellen. So kaperte sie die Marke und beschloss von 1967 an als Valie Export aufzutreten. "Die Zigarettenpackung hat mir gefallen, um sie als Objekt zu benützen; der Name Export ging hauptsächlich von dem Gedanken aus, meine Ideen, Vorstellungen und Visionen aus mir heraus zu exportieren."

Ihr Konzept ist aufgegangen. Die Sammlung Essl zeigt nun eine Retrospektive auf die Taten des "bösen" Mädchens, das nicht einsehen wollte, warum Kunst nur auf der Leinwand oder in Stein ausformuliert werden sollte, und das ebenso wenig einsah, warum die Frauen nicht einfach die Rolle wechseln sollten; weg vom duldsamen Fach des Erfüllens, hin zum Handeln und Fordern. Ihr erster Achtmillimeterfilm galt ihrer Menstruation. Und damit der Frage nach dem Wesen des Weiblichen jenseits seiner Gebärfunktion. Warum auch sollte Sexualität nicht selbstbestimmt sein, warum auch sollte eine Frau nicht provokant auftreten?

Valie Export ist aufgestanden und hat über eine Mauer gepinkelt, während sie die Regel hatte. Sie hat damit gezeigt, dass auch sie Manns genug ist, Terrain zu markieren, und ganz nebenbei ein Muster geschaffen, ein abstraktes Bild. Was eng ist, wollte sie erweitert wissen – Identität findet sich eben nur in der Praxis.

"Genitalpanik"

Als Uniform diente ihr die Aktionshose. Aus deren offenem Schritt erschreckte eine stolz "erigierte" Möse die Männer im Nachkriegs-Wien. Peter Weibel diente als Hund, das Strumpfband ist als Tattoo auf ewig in den Leib geschrieben, und im Kino war der Film plötzlich zum Angreifen.

Die Export machte sich zur Leinwand ihres Tapp- und Tastkinos. Jeder war eingeladen, seine Hände in den vor die nackte Brust geschnallen Kinosaal zu stecken, um derart zu erkunden, wie es ist, den Film zu spüren. Der Voyeur war aufgefordert, vor Publikum zur Tat zu schreiten, und der Regisseurin dabei in die Augen zu schauen. Gespräche zwischen Darstellerin und Publikum fanden, ganz wie im echten, im Expanded Cinema nicht statt.

120 Arbeiten der Medienkünstlerin, Performerin und Filmemacherin sind in Klosterneuburg versammelt: von Dokumenten früher Bodyperformances über die Experimental- und Dokumentarfilme, die Körper-Material-Interaktionen bis hin zu digitaler Fotografie. Egal, in welchem Medium, egal, in welcher Werkphase, Valie Exports Arbeit bezeichnet ein kampfbereites Aufbegehren gegen jede Ausprägung von Konvention. Tat kommt zum Ausdruck als Aufbegehren wider alle geistigen, technischen oder institutionellen Überlieferungen. Befragt wird Tradition, angeboten werden Möglichkeiten zur Selbstfindung. Identität, wird klar, ist eine Eigenmarke.

Die Werkschau entstand in Zusammenarbeit mit dem Centre National de la Photografie. Sie war vor Klosterneuburg bereits in Sevilla, Genf und London zu sehen. In der Sammlung Essl ist sie um einige wichtige Exponate aus dem Hausbestand erweitert. Die Kuratorin Caroline Bourgeois hat Exports Oeuvre in sieben Gruppen gegliedert: Identität, Performances, Expanded Cinema, Videoinstallationen, Projektionen und Filme, Körperkonfigurationen und Konzeptuelle Fotografien.

"Meine konzeptuellen Fotografien gingen von der Idee aus, dass es in Bezug auf den Fotoapparat, in Bezug auf den künstlichen Raum des Fotoapparates, ein Konzept gibt. Es bezieht sich darauf, wie man den Apparat oder die Vorrichtung einsetzt, den Blick des Apparates, meinen eigenen Blick, den des Betrachters und den des fotografierten Objekts, weil ja auch das Objekt einen Blick repräsentiert. Wie kann man ein reales Objekt mit Hilfe dieses komplexen Apparates in ein sichtbares Objekt übertragen?"

Am Beispiel einer Leiter bedeutet das, das Objekt zunächst in einer Serie von Detailaufnahmen unterschiedlichster Intention zu analysieren. Um aus der so gesammelten Informationsmenge collageartig ein neues Bild zu montieren. Woraus sich ergibt, dass das Bild der Leiter kein schlichtes Abbild ist, sondern ebenso komplexe Informationen zum realen Gegenstand wie zur Machart des finalen Bildes enthält. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.2.2005)