"Breeding Table" vom Duo Kram & Weisshaar

Foto: Hersteller

Die "ideal house"-Projekte von Hella Jongerius

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Die Lage ist unverändert: Noch immer gehen Möbelhändler Pleite, beklagen Aussteller den Schwund von Besuchern, doch auf der Kölner Möbelmesse gibt sich die Möbelbranche aufgeräumt. Sehen und gesehen werden: Das ist wieder wichtig. Denn wer noch oder schon wieder zur Messe fährt, hat noch nicht aufgegeben. Ein paar Trends gibt es auch: Gefragt sind Naturmaterialien. Wer ein klar strukturiertes Angebot an Massivholzmöbeln anbieten kann, freut sich über rege Nachfrage. Gesucht ist Beständigkeit. Im Angebot sind Denksportaufgaben: Eine junge Generation von Designern entwirft nicht einfach nur Möbel, sondern setzt sich mit veränderten Produktionstechniken auseinander. Aus der Fläche falten sie komplexe Strukturen.

Ronan und Erwan Bouroullec

Die Brüder Ronan und Erwan Bouroullec zeigen bei Ligne Roset ihr Kompaktsofa fürs mittlere Preissegment, bei dem sie sich von den Besonderheiten einer riesigen Nähmaschine inspirieren ließen, die fünf mal fünf Meter große Stoffe verarbeiten kann. Die Polster der Sofafamilie "Facett" erhalten durch Abnäher von bis zu 150 Metern Länge ihre Oberflächenstruktur. Zugleich gibt es den passenden Teppich, eine bewegliche Ottomane lädt zum Lümmeln auf dem Boden ein. Schlicht "Couch" nennt der Münchner Stefan Diez sein Möbel, das aus einer textilen Innenstruktur besteht, die an Stoffflicken an der Außenhaut aus Baumwollsegeltuch befestigt ist. Erst im Bestimmungsland wird aus dem zusammengelegten Objekt ein Sitzmöbel, das mit Styroporkügelchen gefüllt wird. Beide Sofas wurden von Messe und Rat für Formgebung mit dem "imm interior innovation award" ausgezeichnet. Die beiden Designer Reed Kram aus Kopenhagen und Clemens Weisshaar aus München arbeiteten schon beim Entwurf digitaler Gadgets für Prada zusammen, die in den Epicenters von Rem Koolhaas den Kunden besondere Informationen bieten. Nun stellten sie in Köln ihr neuestes Projekt vor, die "Breeding Tables". Es sind Tischgestelle aus abgekantetem Stahlblech, die auf Algorithmen basieren. Die Möbelproduktion der Zukunft könnte nach Kram und Weisshaar so aussehen: Der Kunde gibt seine Vorstellungen bezüglich äußerer Abmessungen und Zwecke (Esstisch, Schreibtisch etc.) in den Computer ein. Der gleicht die Daten mit einem zuvor vom Designer eingespeisten Algorithmus ab und errechnet Konstruktionsdaten. Ein dreidimensionales Modell kann vom Kunden am Rechner betrachtet werden.

Wie schon im vergangenen Jahr hatte die Event- und Internet-Plattform Stylepark wieder ihre Off-Messe veranstaltet, diesmal unter dem Motto "Fusion", das die Zusammenarbeit verschiedener Kreativdisziplinen und mentale Offenheit für Veränderung propagiert. Stylepark ist es gelungen, zu einer festen Größe im Kölner Messegeschehen zu werden.

Auch Debatten und Diskurse kamen nicht zu kurz

Um Gegenwart und Zukunft ging es beim anregenden Informationsabend "The Landscape has changed" der Österreichischen Möbelindustrie. Der in Barcelona lebende Designer und Ausstellungskurator Uli Marchsteiner analysierte in einem klugen Vortrag die besondere Beziehung von Globalität und Lokalität. Er sprach vom fiktionalen Wert der Marken und Unternehmen, der selbst dann Bestand habe, wenn deren Produkte heute irgendwo sonst auf der Welt gefertigt würden. Unternehmer wie Heinz F. Hofer-Wittmann (Wittmann) und Georg Emprechtinger (Team 7), Designer Fidel Peugeot (Walking Chair) und die angehende Architektin Julia Taubinger versuchten eine Standortbestimmung. Österreichisches Design lässt sich demnach keineswegs auf Handwerklichkeit und Lokalität festnageln. Erfolgreiche Unternehmen wie Wittmann, Team 7 oder Viteo wissen in ihrer Kommunikation traditionelle Werte mit internationalem Auftreten zu verbinden. Bei Team 7 etwa vollzieht sich ein erstmals auf dieser Messe sichtbarer Wandel "raus aus der Müsli-Ecke, hin zum Naturgenuss", wie es Emprechtinger formuliert. Zusätzlich zur traditionellen Formensprache des Hauses - Möbel mit abgerundeten Ecken, die immer noch Anklang finden - gibt es nun kantigere, modern gestaltete Massivholzmöbel, die großen Zuspruch finden.

Auch beim Stilwerk-Expertengespräch auf der Messe

... ging es um künftige Entwicklungen, allerdings jenen des Handels. Birgit Gebhardt vom Trendbüro empfahl Händlern und Herstellern, mehr Interesse für ihre Produkte zu wecken. Zwar stünde Design als Ausweisqualität bei vielen Kunden nach wie vor hoch im Kurs, doch letztlich gelte es, Aufmerksamkeit zu schaffen. Als gelungene Beispiele nannte sie die Kooperation von Karl Lagerfeld mit der Modekette H&M und die limitierten Exklusiv-Objekte von Prominenten aus Musik, Sport und Design, die Habitat derzeit erfolgreich platziert. "Wir müssen Ebay als Chance begreifen", sagt Alexander Raab, Händler und Vorstand der Stilwerk AG, "damit unsere Kunden ihre Wohnungen leer bekommen. Die Ware, die wir in den vergangenen Jahren geliefert haben, ist einfach zu gut." Die Ebay-Vertreterin auf dem Podium empfahl ihre Plattform auch, um reduzierte Ware besser absetzen zu können. Die alten Angstgegner versöhnen sich, für die arg gebeutelte Möbelbranche Gelegenheit wieder Mut zu fassen. (Thomas Edelmann/Der Standard/rondo/11/02/2005)