Linz - Prozessregeln, justizielle Erklärungsmuster und gerichtliche Denkkategorien sitzen ab sofort in Linz auf der Anklagebank. Als Verhandlungssaal dient für vier Abende das Linzer Theater Phönix. Bereits zum dritten Mal hat sich "Das Tribunal", eine Gruppe von schauspielbegeisterten Linzer Richtern und Staatsanwälten, formiert und verarbeitet in dem Stück "Die Unschuldsvermutung" ihren Arbeitsalltag publikumstauglich auf der Theaterbühne. Und spart dabei nicht mit massiver Kritik an der eigenen Zunft.

Unschuldig schuldig?

Der kritische Blick stellt in dem eineinhalb Stunden dauernden Stück Begriffe wie "Wahrheit", "faires Verfahren", "unparteiisch", "Rechtsschutz" und eben die "Unschuldsvermutung" infrage.

Die Handlung: Die Verrichtung der Notdurft an die Mauer einer Ausstellungshalle, in der teure Gemälde hängen, bringt in dem Theaterstück einen Richter - unschuldig - in den Verdacht einer schweren Straftat.

Dramaturgisch gut gelöst, beginnt das Stück mit dem Tod des Protagonisten. Im weiteren Verlauf entsteigt der tote Richter - dargestellt vom Vizepräsidenten des Landesgerichtes Linz, Karl Makovsky - seinem Grab und erzählt seine tragische Lebensgeschichte. Dem Richter bleibt im Stück nichts erspart: Am Anfang steht ein Kunstraub, schon bald finden die Ermittler am Tatort die "notdürftigen" Spuren sowie Fingerabdrücke am Fenstersims. Eine Verkettung unglücklicher Zufälle zwingt den Juristen, die Seiten zu wechseln, und führt ihn vom Richtersessel direkt in die U-Haft.

Dort bestätigen sich in Gesprächen mit den Häftlingen - "Wenn der Richter ausgeschlafen ist, hast am Schluss auch weniger ,Schmoiz' (Anm.: Strafausmaß) am Buckel" - seine Zweifel an der Wahrheitsfindung. Der Dialog zwischen den beiden "Häf'n-Brüdern" Manfred Morbitzer und Rudolf Scherbatin (beide im Zivilberuf am Linzer Landesgericht tätig) ist einer der Höhepunkte des außergewöhnlichen Stücks. Letztlich entgeht der in seinem Weltbild schwer gebeutelte Richter aber einer Verurteilung, indem er zur Waffe greift und seinem Leben ein Ende setzt. (DER STANDARD, Printausgabe, 09.02.2005)