Foto-Credit: Taubenkogel/PAGE Media
Normalerweise halten sich die emotionalen Sensationen auf der Leserbrief-Seite der Homepage von Gault Millau Österreich ja eher in Grenzen. Gäste schreiben da halt, dass sie mit der Bewirtung und somit mit der Bewertung in diesem oder jenem Lokal zufrieden waren oder nicht und das steht dann eine Zeit lang da und wird nur in seltenen Fällen bestätigt oder widersprochen.

Außer beim Taubenkobel, da herrscht regelmäßig Posting-Krieg, der eigentlich immer einer gleichen Dramaturgie gehorcht: Gast XY betritt das Lokal und wird in einer Art und Weise begrüßt, die nicht seinen/ihren Erwartungen entspricht, bekommt unverlangt Sekt eingeschenkt, den er/sie für überteuert hält und muss fortan eine nie dagewesene Enttäuschung erleben, nämlich indem er/sie einen Gang serviert bekommt, den er/sie aber gerne irgendwie anders gehabt hätte, dies der Eveline Eselböck zur Kenntnis bringt, die darauf dann sagt, dass sich ihr Mann der Küchenchef da aber etwas dabei gedacht hätte. Was fortan für große Verstimmung und Frustration bei Tische sorgt und Gast XY sodann am nächsten Tag die Tastatur betätigen lässt, um der Welt von diesem Skandal zu berichten.

Auf solche Postings folgen dann solche, die sich irgendeine unsachgemäße Behandlung im Taubenkobel rein gar nicht vorstellen können, es noch nie erlebt und auch noch nie erzählt bekommen haben und den Taubenkobel überhaupt taxfrei als das allerallerbeste Lokal auf der ganzen Welt bezeichnen. Auf solche Einträge kommen dann wieder die Frustrierten, dann wieder die Euphorisierten und so weiter und so fort, das geht jetzt schon seit ein paar Jahren so. Warum ist das so? Warum wird der Taubenkobel von den einen so geliebt, von den anderen so gehasst?

Nun ja, es mag in erster Linie damit zusammen hängen, dass der Taubenkobel in mehrerer Hinsicht recht anders ist als andere Restaurants in Österreich: Walter und Eveline Eselböck sind Quereinsteiger, lernten nicht von früher Jugend an das Dienen und Buckeln, sondern verströmen sowohl eine gewisse Selbstsicherheit als auch ein gerüttelt Maß an Selbstbewusst sein. Und damit kommen schon einmal viele nicht klar. Außerdem sind die Eselböcks prominent, Eveline Eselböck veröffentlicht wöchentlich im Profil eine Wein-Rezension (was es in österreichischen Publikumsmedien sonst eher selten gibt und Frau Eselböck daher einen nicht geringen Einfluss in der Weinszene beschert), Walter und Eveline Eselböck sind aufgrund ihrer Eloquenz und ihres appetitlichen Äußeren Lieblinge sämtlicher Medien, werden in entsprechenden Publikationen gerne als Models herangezogen, dienen als mediale Ansprechpartner für alle Bereiche des zeitgemäßen Lebensstils, sei es Reisen, Gartengestaltung, Einrichtung, Altersvorsorge ... Und das schafft – wir sind schließlich in Österreich – Neid. Mit dem die Eselböcks freilich nicht besonders diplomatisch umzugehen verstehen.

Denn der hauptsächliche Anstoß jeglichen Ärgers – das Essen kann es meiner Erfahrung nach nicht sein, die Auswahl der Weine ebenso wenig, und wer mit der Preislage nicht zufrieden ist, soll halt die paar Kilometer weiter fahren und in Ungarn essen, für Europa und die gebotene Performance ist der Taubenkobel jedenfalls als äußerst preiswert einzustufen – dürfte wohl der so genannte „Stammtisch“ sein. Das ist ein großer, uralter Tisch aus zerfurchtem Hartholz, der da mitten im ersten Raum als einziger Tisch steht und von jedem kommenden und gehenden Gast und auch von einigen anderen Tischen aus eingesehen werden kann.

Und dort sitzen dann die Menschen, mit denen sich Eveline und Walter Eselböck vielleicht auch ganz gerne privat ein bisschen unterhalten, Künstler, Medienmenschen, Winzer, Freunde. Was bei vielen „normalen“ Gästen dann ein großes Gefühl der Ungerechtigkeit hervorzurufen scheint, denn nicht wenige berichteten mir empört, dass der Eselböck da die ganze Zeit an diesem Tisch mit irgendwelchen Promis sitze und sie indes keines Blickes würdige. Na ja, würde ich sagen, das ist natürlich hart, allerdings bekommt man Freundschaft eben nicht auf Rechnung (Achtung, meine Worte, nicht die der Eselböcks!!!) Wenn dieser „Stammtisch“ nicht für alle einsehbar wäre, sondern irgendwo in der Küche – so wie beim Hanner oder im Schloss Prielau zu Wörthers Zeiten – gäbe es wahrscheinlich weniger Probleme, die Gäste könnten sich auf das großartige Essen, die fulminante Weinbegleitung und die einzigartige Atmosphäre des Lokals konzentrieren und bekämen nicht vor Augen geführt, was sie mit Neid erfüllt.

Seit sie die vierte Haube, hohe Punkte bei "A la Carte" und den zweiten Stern bei Michelin hätten, seien sie überhaupt total abgehoben, hört man auch hin und wieder. Mag sein, schließlich kann man als Restaurant sehr viel mehr nicht mehr erreichen, und eine gewisse professionelle Distanziertheit finde ich bei einem Restaurant dieser Spielklasse eher angenehm als störend. Wer lieber ins urige Beisl oder Landgasthaus will, wo man ihn mit Spitznamen begrüßt und sich gerne die Geschichten aus der Firma anhört, wird diese entsprechenden Plätze sicher finden. Aber bitte nicht dem Austro-Reflex nachgeben und professionelle Korrektheit mit Arroganz verwechseln.