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Gewerkschaften und die oppositionellen Sozialisten hatten zu 118 Kundgebungen, darunter auch in Toulouse.

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Paris - Hunderttausende haben am Samstag in ganz Frankreich gegen eine Aufweichung der 35-Stunden-Woche demonstriert und so den Druck auf die konservative Regierung von Premierminister Jean-Pierre Raffarin verstärkt. Allein in Paris protestierten nach Angaben der Gewerkschaften 90.000 Menschen gegen längere Wochenarbeitszeiten, die gegenwärtig im Parlament beraten werden. Die Regierung hält jedoch an ihrem umstrittenen Vorhaben fest. "Warum ein Gesetz zurückziehen, das zusätzliche Freiheit bringt?", fragte Sprecher Jean-Francois Cope am Sonntag, "es ermöglicht es, mehr zu arbeiten, um mehr zu verdienen."

Großdemonstrationen auch in Bordeaux, Lyon, Toulouse und Marseille

Großdemonstrationen gegen die Sozialpolitik der Regierung gab es auch in Bordeaux, Lyon, Toulouse und Marseille. Landesweit gingen nach Polizeischätzungen rund 300.000 Beschäftigte des privaten und des öffentlichen Sektors auf die Straßen. Die Gewerkschaft CGT sprach sogar von 600.000 Demonstranten. "Die Regierung wäre gut beraten, die Arbeiter nicht nur zu hören, sondern ihnen zuzuhören", sagte CGT-Generalsekretär Bernard Thibault zum Auftakt der Protestkundgebung in Paris. Er sagte, der Protest sei Ausdruck eines "sozialen Unbehagens", der sich nicht ausschließlich gegen die Lockerung der 35-Stunden-Woche, sondern auch gegen andere Entscheidungen der Regierung richte.

Lockerung soll Wettbewerbsfähigkeit des Landes stärken

Alle großen Gewerkschaften und die oppositionellen Sozialisten hatten zu den 120 Kundgebungen aufgerufen. Die Regierungspartei UMP will mit der Lockerung der 35-Stunden-Woche, die 1998 von der damaligen sozialistischen Regierung eingeführt worden war, die Wettbewerbsfähigkeit des Landes stärken. Danach könnten wieder bis zu 48 Stunden in der Woche gearbeitet werden. Die Linke argumentiert dagegen, notwendig sei eine erhöhte Kaufkraft, aber ohne längere Arbeitszeit.

Der Vorsitzende der Sozialistischen Partei, Francois Hollande, sagte auf einer Demonstration in Rennes, die Mobilisierung erleichtere es der Opposition, die Gesetzesänderung im Parlament abzuwehren. "Kommt und arbeitet bis ihr tot umfallt", skandierte die Demonstranten in Marseille. In Lille wurde auf Transparenten gefordert "Erhöht die Gehälter, nicht die Stundenzahl."

Industrieminister Patrick Devedjian räumte ein, es gebe ein Problem mit der stagnierenden Kaufkraft. Dies sei aber gerade ein Folge der 35-Stunden-Woche. Verkehrsminister Gilles de Robien erklärte am Sonntag, der Gesetzenwurf der Regierung wolle die "wirtschaftliche Freiheit mit sozialem Fortschritt" zusammenbringen.

In mehr als hundert französischen Städten und Ortschaften gingen Menschen aus Protest auf die Straße. In Marseille zählten die Gewerkschaften 50.000 Demonstranten, die Polizei 10.000; in Toulouse und Bordeaux waren es den Angaben zufolge je 25.000 beziehungsweise laut Polizei 20.0000 und 10.000 Menschen.

Pariser Nationalversammlung berät über Reform

Die Pariser Nationalversammlung berät derzeit auf Antrag von Abgeordneten der konservativen UMP-Partei über eine Reform, mit der die Wochenarbeitszeit auf bis zu 48 Stunden erhöht werden kann. Die sozialistische Ex-Arbeitsministerin Martine Aubry hatte unlängst gesagt, damit werde die "Totenglocke" für die 35-Stunden-Woche geläutet. Premierminister Raffarin gab die Losung aus: "Wer mehr arbeiten will, soll mehr verdienen."

Die Gewerkschaften wollen in der kommenden Woche darüber beraten, wie der Protest fortgesetzt wird. Thibault kündigte an, die Beschäftigten sollten bereits am morgigen Montag in ihren Unternehmen darüber sprechen. Der Vorsitzende von Force Ouvriere (FO), Jean-Claude Mailly, plädierte dafür, zu Streiks aufzurufen. (APA/dpa/Reuters/AP)