Wien - Anlässlich des "Tages der Null-Toleranz gegen weibliche Genitalverstümmelung" am Sonntag haben Politikerinnen und Vertreterinnen von Nicht-Regierungsorganisationen zum weiteren Kampf gegen diese Praktik aufgerufen. Weibliche Genitalverstümmelung (FGM) sei kein afrikanisches Problem, sondern komme auch in Österreich vor, betonte die Wiener Frauenstadträtin Sonja Wehsely (S) bei einem Pressegespräch am Freitagvormittag in Wien. Petra Bayr, entwicklungspolitische Sprecherin der SPÖ, forderte unter anderem die "dezidierte" Anerkennung von FGM als Asylgrund in Österreich.

Aufklärungsarbeit

"FGM ist eine der grausamsten Formen der Gewaltausübung gegen Frauen und ist durch keinerlei religiöse Vorschriften zu rechtfertigen", erklärte Wehsely. Sowohl in Afrika als auch hier zu Lande sei mehr Aufklärungsarbeit nötig, um dieses Problem zu bekämpfen. Die Stadt Wien fördert seit August 2003 eine Beratungsstelle zu FGM, die von der Afrikanischen Frauenorganisation betrieben wird. In Österreich sind schätzungsweise 8.000 Migrantinnen von FGM betroffen. Nach Angaben der UN-Sonderbotschafterin und Trägerin des Oscar-Romero-Preises 2004, Waris Dirie, sind es in Europa 500.000 und weltweit rund 150 Millionen Frauen.

Bayr, Mitbegründerin der österreichischen Internet-Plattform "StopFGM" forderte mehr Mittel des Bundes für Beratungs- und Präventionsarbeit gegen FGM in Österreich. Genitalverstümmelung müsse ein größerer Schwerpunkt in der Entwicklungszusammenarbeit werden und sich in der österreichischen Außenpolitik niederschlagen. Zudem sei es wichtig, die betroffenen Frauen "gesellschaftlich einzubetten", um sie aus ihrer Isolation zu holen, beispielsweise mit der Bereitstellung von Arbeitsplätzen. Neben der Nationalratsabgeordneten sprachen sich auch die Sozialistische Jugend (SJÖ) und die zweite Präsidentin des Nationalrats, Barbara Prammer, in Presseaussendungen für die ausdrückliche Anerkennung von FGM als Asylgrund aus.

Bayr kündigte für März einen Antrag im Parlament an. Dieser soll Außenministerin Ursula Plassnik (V) dazu auffordern, sich bei der UN-Vollversammlung für die Anerkennung des 6. Februars als UN-Gedenktag gegen FGM einzusetzen. Almaz Böhm, Ehefrau von Karlheinz Böhm und Vizepräsidentin seiner Hilfsorganisation "Menschen für Menschen", sagte, im Kampf gegen FGM sei es wichtig, dass die Frauen selbstständiger und unabhängiger würden.

Waris Dirie: Zuwenig Engagement in Europa

Waris Dirie kritisierte in einer Aussendung, die europäischen Staaten nähmen ihre Verantwortung nicht wahr. "Sie kümmern sich bei weitem nicht ausreichend um die Opfer und tun zu wenig, um weitere Genitalverstümmelungen zu verhindern." Sie forderte europaweit einheitliche Gesetze gegen Genitalverstümmelung, die auch angewendet werden müssten. Außerdem seien ausreichende Mittel zur Verfügung zu stellen - zur Betreuung der Opfer, für Präventionsarbeit und eine gründliche Forschung zu diesem "verdrängten Problem" in Europa. Diries neues Buch "Schmerzenskinder" über Genitalverstümmelung in Europa wird im März dieses Jahres erscheinen.

Protestaktion der SJÖ

Die SJÖ bedeckte am Freitagvormittag auf dem Ballhausplatz eine Schaufensterpuppe mit einem blutigen Laken, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Die Aktion richte sich in erster Linie an Frauenministerin Maria Rauch-Kallat (V), die Frauenthemen meistens ignoriere, sagte die SJÖ-Frauenbeauftragte Kati Hellwagner in einer Aussendung. (APA)