"Josef Hader ist Gott!", sagte Hermes Phettberg in etwas forciert demutsvoller Vorfreude auf die Lesung aus "Hundert Hennen", am Samstag um 20.00 Uhr im Akademietheater. Es sind nur noch wenige Karten erhältlich!

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Josef Hader liest daraus am Samstag im Akademietheater.


Wien – Liebe Leserinnen und Leser, nachdem Sie in den vergangenen Wochen und Monaten sehr eindrücklich und mehrmals, bis an den Rand der Verwechselbarkeit darüber informiert wurden, was in den aktuellen Spitzentiteln der Libro-Bestenliste – von Eco bis Roth – drinnen steht, sei Ihnen nunmehr ein Werk ans Herz gelegt, von dem nicht einmal sein Verfasser behaupten kann, dass er es kennt. Er wundert sich also auch nur in Maßen, dass es bis dato kaum jemand wahrnimmt.

"Ich bin ja ein Nichtswürdiger", sagt Hermes Phettberg. Manchmal sagt er auch: "Ich bin ein Pfuigack." Oder: "Ich mit meinem Hauptschulabschluss!" Aber, und das weiß er auch, eigentlich sind solche Aussagen ein bisschen kokett. Und eigentlich tätigt Phettberg sie auch nur dann, wenn ihm die Beschäftigungslosigkeit wieder einmal über den Kopf wächst. Denn obwohl Hermes Phettberg der vielleicht interessanteste Talkmaster des deutschen Sprachraums ist (er sagt sogar: "Der Beste!"), und obwohl er wirklich jedes Angebot für Lesungen und Moderationen annehmen würde (Tel. 01/596 24 20) – kein Schwein ruft ihn an.

Aber langsam. Phettberg hat ein Buch geschrieben. Oder richtiger: Gewissermaßen hat sich dieses Buch – Titel: Hundert Hennen, erschienen bei Druckhaus Galrev, Berlin – wie von selbst durch ihn durchgeschrieben: Es umfasst 585 (für den Falter verfasste und dortselbst auch immer gekürzte) vollständige Predigtdienste auf insgesamt 1400 Seiten in drei Bänden. Es kostet 125 Euro, was aber vortrefflich zur Phettberg'schen Maßlosigkeit passt. Und es ist schlicht und einfach eines der interessantesten literarischen Werke, die dieses Land in den letzten Jahrzehnten hervorgebracht hat – sprachgewaltig pendelnd zwischen Autobiografie, wilden Phantasmagorien, Sex, Sucht und Religion, und vor allem: Vom Autor nie wieder gelesen, geschweige denn redigiert.

Phettberg: "Mir könnte man jetzt also Textpassagen vorlesen, und ich würde sagen – ,Ah, interessant. Das hab' ich geschrieben?‘" Vom Vorlesen erwartet er sich also auch einen "Dialog, in dem ich etwas über Facetten von mir erfahre, die ich vorher nicht kannte." Auch kokett? Der Dialog wird jedenfalls am Samstag im Akademietheater von Josef Hader eröffnet, der dort aus Hundert Hennen lesen wird, was Phettberg besonders freut, weil "wenn Gott wieder einmal fad ist, und er bewegt sich wieder einmal unter uns, dann ist er sicher der Josef."

"Erfolglos"?!

Na gut, das ist jetzt wieder diese Demutshaltung, wie sie eigentlich nur Phettberg in geradezu peinigender Weise verkörpern kann. Aber die Lesung im Akademietheater, sie kommt tatsächlich zu einem Zeitpunkt, an dem sich offenbar wirklich alle (Falter inklusive) darauf geeinigt haben, dass Hermes Phettberg hoffnungslos erfolglos ist und also auch bleiben muss. Ja, soll – einerseits, damit er die Sehnsucht nach einem wahren Außenseiter erfülle. Andererseits aus Gleichgültigkeit. Oder?

Mit knapp 50 Euro und ohne jeden menschlichen Kontakt hat Phettberg etwa die letzten Weihnachten durchlebt. "40 Paar Frankfurter und 20 Tafeln Schokolade, das war alles. Irgendwann hab ich den Geschmackssinn verloren. Jetzt schmeckt sogar ein Erdäpfelgulasch mild wie Grießknödel", erzählte er dem Standard kürzlich in einem mehrstündigen Gespräch, über das er aber nachher befand: "Das wird aber heute kein Interview, oder?" Richtig, eher wäre es in transkribierter Form eine gewaltige Textfläche geworden, über Körperausdünstungen, Formlosigkeiten, Alltagsrituale, Antriebslosigkeiten, erotisches Begehren, das nicht und nicht eingelöst wird, und die ewige und bei Phettberg tatsächlich keineswegs larmoyante Frage: "Warum will mich keiner?"

Ja, warum? Hundert Hennen, wie von selbst geschrieben, monumental sich erstreckend auf faksimilierten E-Mail-Seiten, voll von "bleibenden Tippfehlern" oder "Leserfehlervorschlägen"; dieses Buch, in dem der in ländlicher Einschicht aufgewachsene "Pepi" am Sterbebett des Vaters ebenso vorkommt, wie der angekettete Sado-Maso-Phettberg im Wiener Schwulenmilieu – es sollte einmal mehr an eine frühe Forderung des im Vorjahr verstorbenen Literaturkritikers des STANDARD Richard Reichensperger erinnern (dem Hundert Hennen auch gewidmet ist).

Reichensperger, in Hinblick auf Phettbergs Karriere als TV-Superstar (Nette Leit Show) durchaus skeptisch, meinte nämlich angesichts der "Predigtdienste" über das verborgene literarische Talent des "Über-Berühmten": Man möge ihm doch endlich eine adäquate Bühne geben. Josef Hader unternimmt diesbezüglich im Akademietheater einen ersten Vorstoß. Und vielleicht ziehen demnächst Buchhändler und Literaturhäuser nach.

Vor allem aber sollten sich viele Leserinnen und Leser finden für Hundert Hennen, um dort Phettberg-Passagen wie die folgende mitzuempfinden: "Es kann uns nicht wundernehmen, dass all die armen, industriellen Massenmenschlein sich so sehr danach sehnen, dass einmal, ein einziges Mal eine Person zu ihnen ehrlich ist. Und ich gehe durch die Städte und die Leute kriegen Wallungen, Geysire ihrer Seele überfluten sie wohlig, weil ich ihnen über den Weg laufe, weil sie eine Ehrlichkeit vermeinen, die ihnen in meinen Fernsehshows widerfahren wäre. Aber ich hatte die Ehrlichkeit niemals im Auge, sondern nur meine Einsamkeit." (DER STANDARD, Printausgabe, 04.02.2005)