Washington/New Orleans - Die "State of the Union"-Rede von US-Präsident George W. Bush hat das Programm des Präsidenten für seine zweite vierjährige Amtsperiode skizziert, in der er in den ersten beiden Jahren am aktivsten sein muss, erläutert der in den USA lehrende österreichische Universitätsprofessor Günter Bischof Mittwoch Abend - und er findet für Teile des Bush-Programmes historische Formulierungen wie "Voodoo-Economics".

Den Schwerpunkt habe Bush dabei durch die Forderung nach Privatisierung der Altersvorsorge (Social Security) auf die Innenpolitik gelegt. Damit solle das bisherige auf Solidarität aufgebaute Pensionssystem zum privaten Investment mit dem damit verbundenem Risiko umgewandelt werden, analysiert der Direktor des "Center Austria" an der Universität von New Orleans.

Pensionen

In der nun auch in den USA geführten Pensionsdebatte wolle Bush die Pensionsgelder vom staatlichen System der Social Security zur Wall Street verschieben. Angesichts der Unternehmensskandale in den vergangenen Jahren in den USA und im Hinblick auf mögliche flaue Marktperioden werde das Risiko für den Einzelnen wachsen. Als Anreiz solle die Vererbbarkeit der Pensionskonten dienen. "Bush will vom allgemeinen Solidaritätssystem weg und das Geld in die Hand der Privaten legen", konstatiert Bischof, ob die Regierung in schlechten Zeiten oder bei Verlusten dann aber wieder mit Pensionszahlungen einspringen müsse, bliebe offen.

Anti-Washington-Programm

Die Ankündigung des Präsidenten, 150 ungenannte Bundesprogramme aus Kostengründen ganz zu streichen, sei ein "klassisch republikanisches Anti-Washington-Programm". Damit werde der alte Animus der Republikaner gegen die Bundesverwaltung in Washington wieder angeheizt. "Das ist reine Voodoo-Economics", zitierte Bischof den Vater von Präsident Bush, George Bush, der das liberale anti-regulatorische Wirtschaftsprogramm von Präsident Ronald Reagan so kritisiert hatte - allerdings, bevor er Reagans Vizepräsident wurde. Andererseits wolle der Präsident auch die Kleinbetriebe stärken, Bildungs- und Erziehungsinitiativen fördern und die Gesundheitsversorgung leistbar machen. Die Hälfte der Privatkonkurse in den USA werde derzeit von Leuten verursacht, die unvorhersehbare Gesundheitsausgaben nicht zahlen könnten, gibt Bischof die Realität zu bedenken.

Friedensvermittler im Nahen Osten

Auffallend im außenpolitischen Teil der Rede ist für Bischof die nunmehrige starke Hinwendung zum Nahost-Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern, den Bush in seiner ersten Amtsperiode ziemlich vernachlässigt habe. In der jetzigen Periode nach dem Tod von Yasser Arafat wollten die Amerikaner offenbar wieder als Friedensvermittler im Nahen Osten auftreten. Dafür spreche auch die Ankündigung des Präsidenten, er wolle die Palästinenser mit 350 Millionen Dollar (268 Millionen Euro) unterstützen. Im Vergleich zu den rund 80 Milliarden Dollar, die als Sonderbudget für den Irak gebraucht werden, sei diese Summe allerdings gering und werde vermutlich vom Kongress bewilligt, erwartet Bischof.

Roosevelt-Zitat

Interessant ist für den Historiker Bischof, dass Bush die "Freiheit" auch als "Freedom from Fear" definierte und damit US-Präsident Franklin D. Roosevelt bei seiner State of the Union-Rede im Jahr 1941 zitierte. Roosevelt hatte diese "Freiheit ohne Angst" damals auf die Bedrohung der USA durch den Nationalsozialismus und durch dessen Verbündeten Japan bezogen. Bush erwähnte den Begriff nun im Zusammenhang mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 und der Bedrohung Amerikas durch Terroristen. Auf die "Achse des Bösen", wie Bush selber die Staaten Irak, Iran und Nordkorea in einer früheren Rede bezeichnet hatte, sei der Präsident diesmal nicht eingegangen. Nordkorea habe er kaum erwähnt, dafür sei an Syrien eine scharfe Drohung ergangen. "Der Präsident hat sich offenbar total auf den Nahen Osten eingeschworen", so Professor Bischof.

Die "State of the Union"-Rede ist für den gebürtigen Vorarlberger Bischof ein interessantes Ritual in der amerikanischen Politik, für das es etwa in der österreichischen Politik keine Entsprechung gebe. Dass der US-Präsident einmal im Jahr vor beiden Häusern des Kongresses sein politisches Programm vorstellt, während er sonst mit dem Kongress über seine Minister verhandle, sei "in der Choreografie der amerikanischen Demokratie ein wichtiger Moment". Die Einladung bestimmter repräsentativer Personen zur Rede, etwa diesmal einer irakischen Wählerin die dann die Mutter eines im Irak gefallenen Soldaten umarmte, verleihe den politischen Themen Realität. Schon Präsident Reagan habe dieses "brillante Polit-Marketing" bei seinen Reden angewandt. (red/APA)