Wien - Eine dramatische Zunahme hat es 2004 bei den Neuzugängen in die Invaliditätspension gegeben. Es wurde nach Angaben des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger eine Steigerung um fast 50 Prozent von 22.572 im Jahr 2003 auf 33.694 im Vorjahr verzeichnet. Während Ex-Sozialminister Herbert Haupt (F) den Anstieg als "erwünschten Effekt, der auch von mir so angestrebt wurde" bezeichnete und mit gesetzlichen Verbesserungen für ungelernte Hilfsarbeiter begründete, zeigte sich ÖVP-Sozialsprecher Walter Tancsits zurückhaltend. Tancsits will erst die Zahlen analysieren.

SPÖ und Grüne empört

SPÖ-Sozialsprecherin Heidrun Silhavy empörte sich über die Behandlung älterer Arbeitsloser, die aufgefordert würden, Invaliditätspension zu beantragen. Es handle sich um eine verfehlte Maßnahme der schwarz-blauen Regierung. Auch der Grüne Sozialsprecher Karl Öllinger warf der Koalition "gröbste Versäumnisse" vor und sprach von einer zynischen Vorgangsweise von ÖVP und FPÖ. Der Vorsitzende der Pensionsreformkommission, Theodor Tomandl, warnte unterdessen vor einem weiteren Anstieg der Zahl der Invaliditätspensionen.

Haupt: Von der Regierung "so gewollt"

Haupt meinte, die Erhöhung sei mit einer "verbesserten Zuerkennung" für jene, die bisher ohne Berufsschutz waren, zu erklären. Dies sei von der Regierung auch "so gewollt". Überrascht ist Haupt von der Entwicklung nicht. "Wir haben viele Menschen gehabt, die bei uns interveniert haben. Objektiv betrachtet sind es Menschen, die nicht oder sehr eingeschränkt arbeitsfähig waren, und die früher trotzdem an den Arbeitsmarkt verwiesen worden sind. Es war wichtig, diese Gruppe fairer zu behandeln."

Tancsits verwies wiederum darauf, dass die Anträge auf Invaliditätspension im Frühjahr 2004 zurückgegangen sei, während die Zahl der Zuerkennungen anstieg. Die Kritik der Grünen an fehlenden gesundheitspolitischen Maßnahmen wies er zurück. "Es gibt niemanden, der so gegen Nikotinmissbrauch aufgetreten ist wie Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat". Es sei aber klar, dass viele gesundheitliche Maßnahmen erst im Lauf von Jahren zu greifen beginnen.

Silhavy hielt der Regierung vor, trotz lauter Aufschreie namhafter Experten und trotz Warnungen der SPÖ keinerlei arbeitsmarktpolitische Maßnahmen in Zusammenhang mit der Abschaffung der vorzeitigen Alterspension gesetzt zu haben. Das Problem beginne damit, dass der Gesundheitszustand der älteren Arbeitnehmer sehr schlecht sei, "Gesundheit am Arbeitsplatz ist dieser Regierung nichts wert", kritisiert sie.

"Versagen"

Öllinger warf der Regierung Versagen in diesem Bereich vor. Es sei auch völlig falsch, zehntausende Personen, die mit der Arbeitslosenleistung Pensionsvorschuss auf die Erledigung ihrer Anträge über eine Invaliditätspension warteten, "irgendwo im Eck der Arbeitslosenversicherung zwischen zu lagern".

Tomandl wiederum will eine Änderung der Zugangsbestimmungen für Invaliditätspensionen. Er kann sich auch eine Teilpension vorstellen. "Behinderungen können leichter oder schwerer Natur sein. Das wird nicht berücksichtigt. Man kriegt entweder die volle Pension oder gar nix." (APA)