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apa/dpa/Bernd Weißbrod
Wieder eine neue Steuer. Das ist natürlich nicht lustig. Wieder eine neue Idee eines Finanzministers (der, da er unangenehme Nachrichten ungern selber vorträgt, beziehungsweise man ihm diese aufgrund seines aktuellen Nehmer-Vorwurfs vielleicht zur Abwechslung einmal übel nehmen könnte, seinen Adjudanten vorschickt), uns Geld wegzunehmen. Auch nicht lustig, schon klar. Allerdings: Beim Trinkgeld handelt es sich um nichts anderes als good old Schwarzgeld, und sei es aus noch so großer Dankbarkeit oder anlässlich eines noch so angenehmen Abends bezahlt. Die Argumentationen zum Schutz dieses Schwarzgeld-Refugiums überschreiten teilweise die Grenze des Anstandes und des guten Geschmackes aufs Schwerste, würde ich sagen, und sind hoffentlich nur durch den Zustand höchster emotionaler Erregung erklärbar: „Vernichtung österreichischen Kulturgutes“, na sicher, „Bestrafung der typisch österreichischen Freundlichkeit“, „Bedrohung des österreichischen Arbeitsmarktes und Gefahr der Überschwemmung durch osteuropäische Billiganbieter“, und sonst geht’s wieder? Tatsächlich ist die Idee des schönsten Finanzministers seit Menschengedenken, die Maut pauschal zu besteuern, natürlich ein ziemlicher Topfen, weil einigermaßen an der Realität vorbei. Tatsächlich ist der österreichische Beharrungsreflex „Es muss einfach alles so bleiben, wie es ist“ aber ebenfalls ein ziemlicher Topfen, weil – sind wir uns ehrlich – die Tage eines geduldeten Schwarzgeld-Einkommens schlicht und ergreifend gezählt sind. Und wer sich mit dem Brustton der Überzeugung für die Beibehaltung der unkontrollierbaren Pfründe stark macht, hat seine Glaubwürdigkeit als ernstzunehmender Finanzpolitiker oder Wirtschaftsmensch schon einmal ordentlich verwirkt, würd ich meinen. Jetzt ist es im konkreten Fall der Gastronomie aber so, dass Servier-Personal zumeist mit einem äußerst geringen Gehalt angestellt und die „Maut“ als legitimer Bestandteil des Einkommens betrachtet wird. Damit das Ganze auf einem zumindest annähernd legalen Boden bleibt, gab es bisher immer schon auch eine pauschale Abgabe auf die Trinkgelder, die zwar eine relativ hohe Akzeptanz beim Servier-Personal genießt, deren Bezahlung bisher aber halt nicht wirklich besonders stringent kontrolliert wurde. Da das Trinkgeldwesen in Österreich finanztechnisch ohnehin nie gänzlich in den Griff zu bekommen sein wird, wäre ein Ausbau dieses auf Kulanz basierenden Systems sicher nicht das Schlechteste. Oder man macht’s so wie in Italien und Frankreich und England, wo die zehn oder zwölf Prozent auf der Rechnung bereits ausgewiesen und addiert sind und daher ihren verrechnungstechnischen Weg gehen können (ähnlich übrigens auch seit kurzem in Österreich, wenn man mit der Kreditkarte bezahlt und auch den Tip ausfüllt). „Ja, aber da kann man dann ja nicht mehr zwischen freundlichem und unfreundlichem Kellner differenzieren“, kommt sogleich der Austro-Einwand, der natürlich durchaus seine gewisse Berechtigung hat, allerdings auf einem völlig anderen Blatt Papier steht. Denn wenn ich die schwarze Maut als legitimen Teil des kellnerischen Einkommens betrachte, darf ich keinerlei Ansprüche an ein freundliches Gesicht mehr stellen, weil dann hat er ganz einfach ein Recht auf die Kohle, aus basta. Wenn ich die Maut indes als individuelle Belohnung sehe, dann muss der Kellner so viel verdienen, dass er auch ohne meine persönliche Willkür und Spenderlaune problemlos über die Runden kommt – dann muss ein Fixbetrag als Posten auf der Rechnung stehen (wobei ich das prozentuelle Modell da für nur mäßig geeignet halte und ein Kombinationsmodell mit Minimal- und Maximal-Betrag besser fände), und besonders zuvorkommenden Service kann ich dann immer noch zusätzlich bemauten. Dass sich an der in Österreich gepflegten Unsitte (die immer auch was Gönnerhaftes hat, wie widerlich) was ändern muss, ist jedenfalls klar. Dienstleistung ist heutzutage weder moralisch fragwürdig noch fehlt es in der Gastronomie an Professionalität, daher soll Arbeit ganz einfach bezahlt werden und dieses Geld so weit wie möglich korrekt versteuert. Und wer sich dann noch ganz dringend künstlich aufregen will, kann sich ja ein Videospiel kaufen.