Wien - Noch vor dem Publikum der Wiener Philharmonischen Abonnementkonzerte ist jenes der Sonntagnachmittagskonzerte des Tonkünstler-Orchester Niederösterreich das an Lebens- wie auch an Konzerterfahrung Reichste. Geprüft durch Jahrzehnte steten Klanggenusses lassen sich die versierten Musikliebhaber kein X für ein U und kein U für ein E vormachen, so wie sie sich, wenn sich die Sache zu lange hinzieht, auch einfach gemessenen Schrittes in Bewegung setzen in Richtung Ausgang, selbst wenn sich gerade einer der leisesten, schmerzvollsten Momente des Werkes ereignet.

Die wahre Anarchie, sie kennt die Grenzen des Alters nicht. Michail Jurowski führte da gerade durch Schostakowitschs fünfte Symphonie - durch jenes reiche Großwerk, bei dessen Komposition der Russe, zuvor öffentlich angeprangert ob seiner vermeintlich "chaotischen", bourgeoisen Musikmache, sicher um sein künstlerisches Überleben in der stalinistischen Sowjetunion geschrieben hatte.

Der Erste Gastdirigent der Niederösterreicher koordinierte die Klangbauten mit Kenntnis, Umsicht und ökonomischem Körpereinsatz - einem gutmütigen Bären ähnelnd, der mit Ruhe und Gelassenheit seine Zauberkunststückchen vollführt. Im ersten Teil des sonntägigen Konzertes gesellte sich dem Russen in der Person Anatol Ugorskis ein Künstler zur Seite, dessen Wesen eher dem Wieselflinken verwandt ist:

Es kam zu einer friedlichen Koexistenz der beiden Arten. Mit routiniertem Schwung wurde Brahms' zweites Klavierkonzert - insgesamt etwas unterwürzt aufbereitet - als klingende Nachmittagsspeisung serviert. Die geblieben waren, hörten es zweifellos mit Freude. (end/DER STANDARD, Printausgabe, 01.02.2005)