Wien - Tourismusbranche, Gewerkschaft, SPÖ, die Grünen und sogar der Koalitionspartner FPÖ laufen gegen das vom Finanzministerium geplante Pauschalbesteuerungsmodell für Trinkgelder Sturm. "Trinkgelder sind keine Frage der Finanz, sondern der österreichischen Gesellschaft. Mit der Besteuerung wird ein Stück österreichische Kultur zerstört", empörte sich der Obmann der Tourismussparte in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Hans Schenner, am Montag gegenüber der APA. In der FPÖ war von einem "Raubzug durch die Taschen fleißiger Mitarbeiter" die Rede. Die Besteuerung der Trinkgelder werde Wirtschaft und Tourismus schaden, so die SPÖ, deren Wirtschaftssprecher Johann Moser von einer "Bestrafung der österreichischen Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft" spricht.

"Es ist mir unverständlich, warum Finz gegen die eigene Kultur losgeht", sagte Schenner. Trinkgeld gehöre - seit Jahrzehnten - von der Taufe bis zum Begräbnis - zur österreichischen Kultur und werde nicht als Lohn empfunden. Daher sollte Trinkgeld auch keiner Steuer unterliegen. Man prüfe nun rechtliche Schritte gegen die geplante Besteuerung: "Wir werden das bis zum letzten Tag ausprozessieren".

Finanzstaatssekretär Alfred Finz (V) hatte - derStandard.at berichtete - ein Pauschalbesteuerungsmodell angekündigt, das nicht nur Kellner einbeziehen soll, sondern auch alle anderen Trinkgeldberufe wie Taxifahrer und Friseure. Ein konkreter Vorschlag soll bis Mitte Februar vorliegen.

200.000 Betroffene

Von der Trinkgeldbesteuerung seien in Österreich rund 200.000 Beschäftigte - davon 160.000 in Gastronomie und Hotellerie, 20.000 Friseure und 15.000 Taxifahrer - betroffen, sagte Moser. Wenn die österreichische Freundlichkeit ausbleibe, litten mittelfristig auch die Gastronomen und Hoteliers, die Taxiunternehmer und Friseure unter dieser Steuer. Die Regierung mache den Großkonzernen mit der Körperschaftsteuer-Senkung oder der Gruppenbesteuerung Steuergeschenke "Geschenke in Millionenhöhe, während den fleißigen Arbeitnehmern mit der Trinkgeldsteuer der nächste Angriff droht".

Walch: "Kommt nicht in Frage"

Eine pauschalierte Trinkgeldbesteuerung komme "nicht in Frage, da es die Falschen treffen würde", meinte auch der freiheitliche Arbeitnehmersprecher Max Walch. Tourismusbeschäftigte würden ohnedies so wenig verdienen, dass "das bisschen Trinkgeld" als Lohnbestandteil dringend benötigt werde. Das Gleiche gelte für Friseure und Taxifahrer.

"Der Angriff auf das Trinkgeld ist ein ungeheuerlicher Raubzug durch die Taschen fleißiger und engagierter Mitarbeiter", schlug der Bundesobmann des Rings Freiheitlicher Wirtschaftstreibender (RFW), Fritz Amann, in dieselbe Kerbe, und auch die Wiener FPÖ macht gegen die vom Finanzminister geplante Tringeld-Steuer mobil. Man werde mit einer Unterschriftenliste an Wiens Gastronomen herantreten, kündigte Landesobmann Heinz-Christian Strache in einer Presseaussendung an. Es sei "wirtschaftspolitischer Nonsens", im Gastgewerbebereich eine neue Steuer einzuheben. Hier sei auch zu befürchten, dass der Sektor durch die finanzielle Abwertung "mit Billigarbeitskräften aus Osteuropa überschwemmt werde", so Strache.

Gorbach: "Falsches Signal"

Auch Vizekanzler und Verkehrsminister Hubert Gorbach (F) sieht in der geplanten Trinkgeld-Besteuerung ein "falsches Signal". "Jene, die sich besonders bemühen, den Gast freundlich und zuvorkommend zu bedienen, würden durch eine weitere Besteuerung bestraft werden. Denn wer sich im Service keine Mühe gibt, wird auch kein Trinkgeld bekommen", meinte Gorbach am Montag in einer Pressemitteilung.

Grüne: "'Tote' Bestimmung nicht beleben, sondern abschaffen"

"Gerade in diesen Branchen sind die Kollektivvertragslöhne unter anderem deshalb so niedrig, weil steuerfreie Trinkgeldzuwendungen in den Lohnverhandlungen vorausgesetzt werden", argumentierten auch die Grünen. Die "tote" steuerrechtliche Bestimmung zur Trinkgelderfassung soll vom Finanzministerium nicht belebt, sondern sinnvollerweise abgeschafft werden, so der Grünen-Budgetsprecher Werner Kogler.

Auch Hoteliers für Abschaffung der Besteuerung

Eine Forderung, die auch der Präsident der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV), Peter Peer, in einer Pressemitteilung erhebte. Österreich solle die Trinkgeldbesteuerung wie Deutschland gänzlich abschaffen: Freundlichkeit müsse steuerfrei sein, so Peer.

Die geplante Trinkgeldbesteuerung komme "einer Strafsteuer für freundlichen Service gleich", so Peer weiter. In Deutschland habe man die negativen Folgen der Steuer erkannt und schon 2002 reagiert. "Das Trinkgeld muss dort bleiben, wo es hingehört: In den Börsen der Mitarbeiter", forderte Peer. Österreich als Tourismusland Nummer 1 könne es sich nicht leisten, seine Beschäftigten zu demotivieren. Servicequalität und Einsatz müssten auch weiterhin die volle Anerkennung wert, Freundlichkeit muss steuerfrei sein.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe Persönlicher Dienst (HGPD), Rudolf Kaske, bezeichnete die geplante Besteuerung als "skandalöses Vorgehen" und "Griff in die Kassa". Da wolle man den Ärmsten der Armen in die Tasche greifen.

Finz rechnet mit Einnahmen im zweistelligen Millionenbereich

Die geplante Pauschalbesteuerung soll laut Finz Einnahmen in zweistelliger Millionenhöhe bringen. Angedacht wird außerdem, bei dieser Gelegenheit die derzeit schon existierenden, aber von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Trinkgeld-Pauschalen in der Sozialversicherung zu vereinheitlichen.

Trinkgelder mussten bisher im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung vom Arbeitnehmer selbst versteuert werden, wobei eine Freigrenze von 730 Euro pro Jahr gilt. In der Praxis wird die Steuerpflicht aber kaum beachtet, da Trinkgelder schwer belegbar sind. Bei der geplanten Trinkgeldsteuer handle es sich um keine neue Steuer, schon derzeit bestehe ja Steuerpflicht, "in der Praxis zahlt aber fast niemand", argumentiert Finz. (APA)