Ob Bewerbungsverfahren wie im aktuellen Fall Ronacher Sinn machen, wird am 14. 2. u.a. von Planungsstadtrat Schicker und der ig architektur zur öffentlichen Diskussion gestellt.

Foto: Christian Fischer

Vor ein paar Jahren gab es in Wien einen Architekturwettbewerb, bei dem so ziemlich alles schief ging, was schief gehen konnte. Die Architekten protestierten gegen das Verfahren, und die Wiener Stadtplaner und -entwickler reagierten. Der Erfolg gibt ihnen Recht - und Planungsstadtrat Schicker auch.


Knapp ein Jahr nach diesem wahrscheinlich in die Geschichte eingegangenen Verfahren "Katharinengasse" legten sie mit den "Grundlagen für die Durchführung von Wettbewerben auf dem Gebiet der Architektur und des Städtebaus" (siehe www.wien.gv.at) ein ansprechendes und durchaus ehrgeiziges Werk vor, das neben der gerechten und sinnvollen Vergabe von Architekturleistungen vor allem eines zum Ziel hat: Qualität und Baukultur zu unterstützen und zu fördern.

Planungsstadtrat Rudolf Schicker schrieb im Vorwort sein Bekenntnis zu diesen städteplanerischen Tugenden nieder und verkündete gleichzeitig: "Der Diskussionsprozess ist damit nicht zu Ende." Er behielt Recht.

Jetzt erregt ein weiteres Verfahren rund um den Umbau des Wiener Ronacher neuerlich den Unmut der Architektenschaft - und nicht nur ihren: Auch der Planungsstadtrat fand ungewöhnlich scharfe, nachgerade bissige Worte gegen den Wettbewerb, der von den Vereinigten Bühnen Wien zum Zwecke der Funktionssanierung des Musical- und Theaterhauses in der Wiener Innenstadt im Dezember ausgelobt worden war.

Er antwortete damit auf einen offenen Brief der ig architektur, in dem die Vorgangsweise der Vereinigten Bühnen heftig kritisiert worden war und meinte etwa: "Auch wir teilen die Meinung der ig architektur, dass das Verfahren einige wesentliche Mängel aufweist, die offensichtlich auf eine nicht zufrieden stellende Abwicklung des Wettbewerbs durch das damit beauftragte Büro zurückzuführen sind." Und: Die Stadt Wien habe sich mit der Entwicklung ihres Wettbewerbsleitfadens dazu verpflichtet, die Wettbewerbskultur in Wien zu verbessern "und vor allem die Zielsetzungen Transparenz, fairer Umgang mit Partnern, Sicherstellung der Planungsqualität bei gleichzeitiger Beachtung der Wirtschaftlichkeit in der Lösungsfindung weiterzuverfolgen".

Das ist ein gutes Zeichen. Die Stadtplanung will sich ihre eigenen Regeln ganz offenbar nicht verwässern lassen, auch wenn sie nicht in ihrem direkten Eingriffsbereich zum Tragen kommen. Das ist das eine. Zum anderen steht das Ronacher-Verfahren exemplarisch für einen Trend, der sich unheilvoll nicht nur in Wien breitzumachen beginnt: Immer öfter geht dem eigentlichen kreativen Entwurfsprozess, dem sich Architekten und Architektinnen großteils unbezahlt im gegenseitigen Wettbewerb stellen, weil das nun einmal zu ihrem Geschäft gehört, ein so genanntes Auswahlverfahren voran. So auch im Falle des Ronacher.

Das bedeutet, der Auslober (Bauherr) lässt überhaupt nur eine ganz bestimmte Architektenklientel zu seinem Verfahren zu, und zwar diejenigen, die über große, umsatzstarke Bürostrukturen verfügen und auch die entsprechenden Referenzprojekte vorlegen können. Die Ronacher-Bewerber sollten etwa einen Mindestumsatz von zwei Millionen Euro nachweisen, was angesichts der kleinteiligen Bürostruktur der heimischen Architekten grotesk ist. Aufgrund des Protestes wurde das Umsatz-Soll wenigstens halbiert, was jedoch nur als Etappensieg gewertet werden kann.

Bösartig formuliert könnte man sagen, die üblichen Verdächtigen werden hier bevorzugt zu Verfahren eingeladen. Die ig architekten ortete in ihrem Schreiben sogar ein Protegieren "einiger weniger Großbüros unter dem Deckmantel der Qualitätssicherung". Auch die Architektenkammer äußerte sich ablehnend.

Dass dieses so genannte "Steckdosenzählen" in den Büros nicht unbedingt Sinn macht, beweisen die Resultate vieler Wettbewerbe, die auch ohne vorangestelltes Auswahlverfahren vorzügliche Resultate erbracht haben. Oder vielleicht sogar eben deshalb: Denn das Kreativpotenzial der jüngeren Architektenschaft Österreichs ist enorm. Warum sollte es also von vornherein ausgeschlossen werden? Was zählt, ist das Resultat, und das zu beurteilen obliegt immer noch einer (hoffentlich) fachlich und sachlich starken, energischen Jury, die das Verfahren auch im Nachhinein nicht aus den wachen Augen verliert. Ob das Siegerprojekt aus den Zeichenfedern der Renommierten oder der Noch-Unbekannten stammt, sollte eigentlich ohne Belang sein.

Planungsstadtrat Schicker hat sich zu genau diesem jungen Kreativpool immer wieder bekannt: Mit den erwähnten Grundlagen für Wettbewerbe, so meinte er, "soll auch für junge, kreative PlanerInnen der Zugang zu Planungsaufgaben erleichtert werden".

Der Protest der Architekten hat das Ronacher-Verfahren zwar nicht in einen Idealzustand katapultiert, er hat aber demonstriert, dass eine kleine Gruppe Engagierter durchaus Bewegung erzeugen kann. Die Diskussion geht tatsächlich weiter. Die nächsten Themen, denen sich Planer, Auslober, Politiker in fruchtbarem Diskurs werden stellen müssen, sind die dräuenden Totalunternehmer- und Totalübernehmerverfahren, die Planung und Ausführung in einer Hand vorsehen.

Diese in Europa derzeit in Mode kommende Verfahrensart wird nicht nur von den Architekten äußerst kritisch beäugt. Auch Vergabespezialisten wie der Rechtsprofessor Josef Aicher meinen, gerade öffentliche Auftraggeber müssten höllisch aufpassen, wollten sie geistig-schöpferische und "ganz andere Leistungen" im Kollektiv vergeben.

Damit die besagte Debatte weitergeht, werden am 14. 2. ab 19 Uhr im Wiesner-Hager Forum (Gonzagagasse 15, 1010 Wien) auf Einladung der ig architektur unter anderen Aicher, Schicker, Ronacher-Ausschreiber Hans Lechner, Kammervertreter Peter Podsedensek und Christian Aulinger von der ig über "Wettbewerbe und Vergabekultur" diskutieren. Vergabe bitte, aber im Sinne der Architektur und nicht unter Bevorzugung Auserwählter. (DER STANDARD, ALBUM, Printausgabe vom 29./30.1.2004)