Sharon nimmt sogar die - auch an dieser Stelle - totgesagte Roadmap in den Mund, gemeinsam mit der Aussicht, verschiedene Aspekte des israelischen Gaza-Abzugs mit den Palästinensern zu koordinieren, allerdings mit dem üblichen, weit gefassten Caveat: "Wenn" die Palästinenser "umfangreiche Maßnahmen setzen, um Terrorismus, Gewalt und Hetze zu beenden." Nun besteht aber die Aussicht, dass die Definitionsgewalt nicht allein bei der israelischen Regierung liegen wird: Bush II dürfte tatsächlich ein neues Nahostengagement versuchen, an dessen Spitze Außenministerin Condoleezza Rice stehen soll.
Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas hat ja tatsächlich gezeigt, dass er es ernst meint mit der Rückeroberung des Gewaltmonopols durch die palästinensische Behörde: mit dem Einsatz palästinensischer Sicherheitskräfte zur Sicherung der Grenze zwischen dem Gaza-Streifen und Israel und nun mit einer weit reichenden Entwaffnungsaktion. Dazu kommt noch die wahrscheinliche Ernennung von Nasser Youssef zum palästinensischen Innenminister: Er ist derjenige, der Mitte der Neunzigerjahre, nach einer Welle von palästinensischen Selbstmordattentaten in Israel (die Benjamin Netanyahu geholfen hatten, die Wahlen zu gewinnen), mit einigem Erfolg versucht hatte, der Extremisten Herr zu werden.
Aber Abbas pokert hoch. Er setzt Palästinenser ein, um Israelis zu schützen, etwas, das Yassir Arafat grundlegend abgelehnt hatte. In ihrem Leitartikel mit dem Titel "Hört zu schießen auf" äußerte am Freitag die Tageszeitung Ha'aretz die Sorge, dass auch auf der Seite der israelischen Armee in den Palästinensergebieten nicht alle Aktionen unter Kontrolle sind: Es kam in den vergangenen Tagen zu Zwischenfällen mit toten Zivilisten. Eines ist klar, und angesichts des Triumphes der Hamas bei den Lokalwahlen im Gaza-Streifen noch mehr: Wenn es Abbas nicht nachhaltig gelingt, auch die Palästinenser vor den israelischen Soldaten zu schützen, und nicht nur umgekehrt, dann werden seine Bemühungen, die radikalen Gruppen auf einen Waffenstillstand einzuschwören, bald wieder beendet sein - und damit das Reden von einem möglichen Durchbruch in den israelisch-palästinensischen Beziehungen. Aber die israelische Führung weiß das. Am Freitag gab Generalstabschef Moshe Yaalon den Befehl, die israelischen Militäraktionen in den Palästinensergebieten auf ein Minimum zu reduzieren.