Ab jetzt 5x/Woche: Von Montag bis Freitag täglich eine Stadtgeschichte von Thomas Rottenberg

Als Buch: Die besten Stadtgeschichten aus dem Stadtgeschichten - Archiv - zum Wiederlesen & Weiterschenken. "Wiener Stadtgeschichten" mit Illustrationen von Andrea Satrapa-Binder, Echomedia Verlag Ges.m.b.H., ISBN 3-901761-29-2, 14,90 Euro.

Es war am Montag. Aber da, sagt C. am Dienstag am Telephon ein wenig kleinlaut, habe er sich lieber klein gemacht. Und vielleicht, sinniert er, war das der Fehler: Wenn einer aufsteht, steht meistens ein zweiter auf. Und dann ein dritter und ein vierter. Nur der erste, meint Standard-Leser C., habe er halt nicht sein wollen. Weil die anderen von vornherein zu viert waren.

Sie waren nicht nur zu viert und größer als C:, sie waren auch lauter. Lauter als alle im bekannten Heurigen auf der Ottakringer Straße: Ihr „Sieg Heil“-Gebrüll – gepaart mit, so C., „akkustisch kaum verständlichen Ansagen über einen Jahrestag“ war nicht zu überhören. Außerdem gingen die Vier im Lokal auf und ab ohne sich ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Aber er, schämt sich C, habe den Kopf eingezogen und getan, als höre er nichts. Aber dann, im Nachhinein, habe er die Kellnerin gefragt, warum sie denn nicht eingeschritten sei.

Ja, sagt C., das sei vielleicht feig gewesen. Erst recht, weil er von Anfang an gewusst habe, welchen Jahrestag die Sieg-Heil-Brüller da wegspülen und niederbrüllen wollten: Am Montag war der 60. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz.

(PS: Die Wirtin des Heurigen will von dem Vorfall Montagabend gar nichts mitbekommen haben. Obwohl sie da war. Ihre Kellner, erklärt sie auf Anfrage des Standard, hätten ihr auch nichts berichtet. "Hausbrauch" sei einschlägiges Gewährenlassen aber jedenfalls nicht: „Wenn die Gäste noch sitzen, sagt man ihnen, sie sollen leiser sein. Wenn sie aber im Gehen sind, lasst man sie gehen. Sonst reden sie noch deppert zurück“) (Thomas Rottenberg, 27.1.2005)