Ein sinistrer Verwandlungskünstler und drei gefährdete Waisen auf einem dunklen See, in dem gefräßige Blutegel lauern: "Lemony Snicket - Rätselhafte Ereignisse".

Foto: UIP
Wien - Wer ist Lemony Snicket? Im Gefolge der Harry-Potter-Manie beschäftigte diese Frage vor einiger Zeit Medien und Leser. Als sich nämlich zu den Romanen um den jugendlichen Zauberlehrling plötzlich eine weitere Kinderbuchserie gesellte, die "eine Reihe betrüblicher Ereignisse" zum Inhalt hatte. Und deren Autor Snicket bereits auf den Buchdeckeln warnte, dass zwischen diesen "Unglück und Verzweiflung" auf die geneigten Leser warteten.

Das Rätsel ist inzwischen gelöst. Der 34-jährige US-Autor Daniel Handler hat sich zur Urheberschaft des eigenwilligen Serienerfolgs bekannt. Und die Erzählungen des Lemony Snicket sind nunmehr - um einiges geglättet und vereinfacht - auch im Kino angekommen.

Lemony Snicket - Rätselhafte Ereignisse (Lemony Snicket's A Series of Unfortunate Events) fasst jene Abenteuer zusammen, die die Romane The Bad Beginning, The Reptile Room und The Wide Window beschreiben - keine heile Welt, sondern vielmehr eine, in der die jungen Helden weit gehend auf sich allein gestellt, auf ihr Wissen, ihr Gefühl und geschwisterlichen Zusammenhalt verwiesen, mit den Unwägbarkeiten des Lebens zurechtkommen müssen:

Violet (Emily Browning), Klaus (Liam Aiken) und Sunny Baudelaire (Kara und Shelby Hoffman) werden gleich zu Beginn zu Waisen. Das Familienanwesen ist mitsamt der Eltern ein Raub der Flammen geworden. Ein Bankbeamter macht die Kinder daraufhin mit ihrem nächsten Verwandten bekannt:

Graf Olaf (Jim Carrey) ist der sinistre Prinzipal einer dubiosen Kompanie von Schauspielern, der in Wahrheit nur eines im Sinn hat: nämlich sich der Kinder so schnell wie möglich und dauerhaft zu entledigen, um mit ihrem Vermögen seine Kunst und seinen Lebensstil zu finanzieren. Allerdings hat er nicht mit dem Erfindungsreichtum und der Beharrlichkeit der drei gerechnet, die seine Pläne bald durchschauen und nach Kräften zu durchkreuzen beginnen.

Liebevoll-schaurig

Brad Silberlings Film erinnert damit an verwandte Arbeiten von Danny DeVito (Mathilde) oder auch an Tim Burtons liebevoll-schauriges Universum. Zumindest das kommt nicht von ungefähr: Production-Designer Rick Heinrichs hat für Sleepy Hollow fantastische Räume gestaltet. Für die Kostüme zeichnen Coleen Atwood und Donna O'Neal (Edward Scissorhands, Big Fish u. a.) verantwortlich.

Für Lemony Snicket - der nunmehr in den Kategorien Artdirection, Make-up, Kostüm und Musik auch ins Rennen um die Oscars geht (siehe Artikel rechts) - haben sich die beiden eine Jahrhundertwende-Retro-Garderobe ausgedacht. Es dominieren dunkle Farben und eine - bis in die Haarspitzen durchgängige - Zerzaustheit. Carrey gemahnt in diversen Masken an den Grinch.

Sich mit diesen Äußerlichkeiten aufzuhalten macht insofern Sinn, als das Erscheinungsbild der Figuren und die märchenhaft überzeichneten Settings ein Gutteil des Vergnügens am Film generieren. Im Vergleich damit bleibt man jedoch von den Figuren und deren fortwährender Gefährdung seltsam unberührt. Die melodramatische Grundanlage der Erzählung dient alleine als oberflächliche Referenz. Wirkliche emotionale Bindung vermag sie nicht zu erzeugen. (DER STANDARD, Printausgabe, 26.01.2005)