Bild nicht mehr verfügbar.

Donald Rumsfeld will möglichst viele Kompetenzen in sein Ressort herüberziehen.

Foto: APA/EPA/Marquette
Es geht rund in der Welt der US-Geheimdienste. Washington Post und New York Times berichteten an diesem Wochenende, dass ein neuer militärischer Geheimdienst, der vor allem die "Special Forces" der US-Army unterstützen soll, in Gründung begriffen sei. Das Dementi aus dem Pentagon folgte noch am Sonntag auf dem Fuße. Etwas später meinte das republikanische Urgestein John McCain auf CBS, dass es in dieser Sache zu einer Anhörung vor dem Streitkräfteausschuss des US- Senates kommen werde.

Unabhängig davon, ob die Berichte in jedem Detail richtig waren: Das Entstehen eines neuen Militärgeheimdienstes würde ins Bild eines Verteilungskampfes passen, in dem Pentagon und CIA einander als Hauptgegner gegenüberstehen.

Minister Donald Rumsfeld hegt den ehrgeizigen Plan, im Rahmen seiner "Revolution of Military Affairs" möglichst viele Kompetenzen in sein Ressort herüberzuziehen – und dass das Pentagon seine Performance bei der "Humint", den menschlichen Spionageleistungen, verbessern wolle, gab auch dessen Sprecher am Sonntag zu.

Bei der "Humint" war das Pentagon früher gänzlich von der CIA abhängig. Sollten maßgebliche Kompetenzen von CIA ins Verteidigungsministerium wandern, so hätte das auch die Konsequenz, dass der Kongress vieler seiner Kontrollbefugnisse über Geheimdienstaktivitäten verlustig ginge.

Rumsfeld verfolgt seine Pläne seit Langem, und dass bei den Geheimdiensten akuter Handlungsbedarf besteht, wurde erst im letzten Jahr von der 9/11-Kommission eindrücklich bestätigt. Sie zählte ein halbes Dutzend Probleme auf, die bereits vor 9/11 bekannt waren, durch die Anschläge jedoch noch einmal scharf ins Gedächtnis gerückt wurden.

Im Detail beanstandete die Kommission
  • "strukturelle Barrieren", die Kooperation zwischen den Diensten erschwerten,
  • Mangel an allgemein akzeptierten Standards, nach denen Erkenntnisse aus In- und Ausland verbunden werden,
  • ein konfuses Management bei der nationalen Informationsgewinnung,
  • die unzureichende Kapazität des Director of Central Intelligence (DCI; er ist traditioneller Weise zugleich CIA- Chef), "Prioritäten zu setzen und Ressourcen zu bewegen",
  • überzogene Jobanforderungen an den DCI: Der schwer beschäftigte Oberspion muss die CIA leiten, ist für die Kooperation zwischen den konkurrierenden Diensten zuständig und eine Art persönlicher Analyst für den Präsidenten.
  • Schließlich, so die 9/11- Kommission, sei die gesamte US-Geheimdienstarchitektur viel "zu komplex und geheim" und könne nur noch von Einweihten nach langem Studium durchschaut werden. Selbst grundlegendste Informationen, wie Budgetgelder auf die 15 Mitglieder der Geheimdienstfamilie aufgeteilt werden, seien für die Öffentlichkeit unzugänglich.

    Eines der Gegenmittel, das die Kommission empfahl, war die Schaffung eines neuen "National Intelligence Directors", der anstelle des DCI von oberster Ebene her koordinieren soll. Nach längerem legistischem Hickhack ist diese Reform inzwischen durch den Kongress. Manche Analytiker interpretieren Rumsfelds "Humint"-Bestrebungen als Versuch, sich schon vorsorglich dem Zugriff des neuen "Direktors" zu entwinden und Herr im eigenen Haus zu bleiben. (Christoph Winder/DER STANDARD, Printausgabe, 25.1.2005)