Hans Pechar ist Leiter der Abteilung "Hochschulforschung" der Fakultät für interdisziplinäre Forschung und Fortbildung (IFF) an der Universität Klagenfurt.

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Und warum es ratsam erscheint, sich seinem Zauber in der Debatte um das universitäre Zugangsrecht zu entziehen: Die Ablehnung jeglicher Selektion ist eine "Dauereinladung zur allseitigen Unverbindlichkeit."

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Die Diskussion über den offenen Hochschulzugang ist in eine kritische Phase getreten. Die Krisensymptome - vor allem die skandalösen Betreuungsrelationen in den "Massenfächern" - spitzen sich zu. Die Forderungen der Universitäten, sich ihre Studenten selbst aussuchen zu können, werden immer lauter. Auch vonseiten der staatlichen Hochschulpolitik gibt es Absetzungsbewegungen. Als Reaktion auf deren jüngsten Vorstoß hat Gehrer die Rektoren aufgefordert, konkrete Vorschläge zu unterbreiten und somit Gesprächsbereitschaft signalisiert. Vermutlich wird das Urteil des EuGH im Rechtsstreit über Zugangsbeschränkungen für ausländische Studierende das Fass zum Überlaufen bringen und der Regierung ein elegantes Ausstiegsszenario ermöglichen.

Seine Befürworter haben den offenen Hochschulzugang in den Rang eines Glaubensbekenntnisses erhoben. Sie sind davon überzeugt, dass das Recht der Universitäten auf Eingangsselektion einen quantitativen Rückgang der Studierendenzahlen nach sich ziehen würde. So haben zum Beispiel die Grünen die Forderungen der Rektorenkonferenz mit dem Hinweis kritisiert, jede Art von Zugangsbeschränkungen würden der von der OECD empfohlenen Erhöhung der Akademikerquote in Österreich widersprechen.

Mehr Transparenz

Aber diese Sichtweise erliegt dem magischen Klang des Wörtchens "offen". Wie kommt es, dass das Land mit der vermutlich liberalsten Zugangsregelung innerhalb der OECD bei der Absolventenquote am unteren Ende rangiert? Länder, in denen die Hochschulen ihre Studenten selbst aussuchen, haben durchgängig höhere Absolventenquoten als wir. Offenkundig hat der offene Hochschulzugang in den vergangenen Jahren nicht viel zum Wachstum des Tertiärbereichs beigetragen. Vermutlich behindert er die Hochschulexpansion eher, als sie zu unterstützen. Denn er begünstigt eine Politik der Lippenbekenntnisse, wobei das Fehlen jeglicher Transparenz es der Regierung leicht macht, die Finanzierungsverantwortung für die öffentlichen Unis sehr locker zu interpretieren.

Die Fachhochschulen sind in einer besseren Position, hier muss die Politik Farbe bekennen. Wenn sie ein Wachstum dieses Sektors anstrebt, dann muss sie mehr Studienplätze finanzieren, und es ist auch für die Öffentlichkeit leicht nachvollziehbar, ob dies geschieht. Um ihre eigenen Versprechungen einzulösen, steht die Regierung unter dem Druck, die Zahl der öffentlich finanzierten Studienplätze auszuweiten. Umgekehrt zwingt diese Transparenz die Fachhochschulen, eine stärkere Verantwortung für den Studienerfolg ihrer Studenten zu übernehmen. Sie haben diese schließlich selbst aufgenommen. Im Fall von Studienabbruch oder überlangen Studienzeiten können sie sich weder auf die schlechten Betreuungsrelationen noch auf mangelnde Studierfähigkeit ausreden. Es wird unter solchen Rahmenbedingungen für alle Akteure leichter nachvollziehbar, wo es Schwachstellen gibt.

Falsche Befürchtungen

An den Universitäten macht es sich die Politik viel leichter. Der offene Hochschulzugang ist die Einladung zur allseitigen Unverbindlichkeit. Die Politik entkoppelt Zugangsrechte von Ressourcen, im Gegenzug haben die Unis eine stark reduzierte Verantwortung für das Schicksal ihrer Studenten. Diese sind zu Beginn jedes Semesters einem nervenaufreibenden Wettlauf um knappe Lehrveranstaltungsplätze ausgesetzt. Oder sie erfahren knapp vor Ende des Studiums, dass es leider kein Personal für die Betreuung ihrer Abschlussarbeit gibt. Ohne den klaren hochschulpolitischen Willen zur Expansion nützt der freie Zugang gar nichts - er führt nur zu hohen Dropout-Quoten. Aber, wenn es diesen Willen gibt, dann ist das Recht der Universitäten, sich ihre Studenten aussuchen zu können, kein Hindernis für weiteres Wachstum - im Gegenteil.

Viele Verfechter des offenen Hochschulzugangs befürchten, die Universitäten würden sich am liebsten von einem großen Teil ihrer Studenten trennen. Für einzelne Professoren mag das zutreffen, nicht aber für die Mehrheit des akademischen Personals und schon gar nicht für die Universitätsleitungen. Diese wollen nicht grundsätzlich weniger Studenten, sondern sie wollen, dass deren Zahl nicht die Ausbildungskapazitäten ihrer Universität übersteigt.

Die zuletzt diskutierten Vorschläge der Rektorenkonferenz sind moderat und wollen eine Eingangsselektion erst an der Schnittstelle zum Graduiertenstudium (Master, Doktorat). Der Zugang zu den Bakkalaureatstudien würde weiterhin offen bleiben. Unter dem Gesichtspunkt einer Selektion der besten Bewerber erscheint diese Position vernünftig. Die faktischen Qualitätsabstufungen im österreichischen Hochschulsystem sind nämlich viel zu gering, um schon im Grundstudium nach Qualitätsgesichtspunkten zu selektieren.

Wenn einzelne Universitäten (zum Beispiel die Universität Wien) einen überregionalen Zulauf haben, während sich die Studierenden anderswo fast ausschließlich lokal rekrutieren, dann hat das primär mit der Anziehungskraft des Standorts, nicht mit der akademischen Exzellenz der Universität zu tun. Auf der Graduiertenebene, vor allem im Doktoratstudium, ist das anders. Hier gibt es bereits Ansätze zu (fachspezifischen) "Centers of Excellence". Damit sie sich entfalten können, benötigen sie das Recht, ihre eigenen Zugangsbedingungen festzulegen.

Beim Zugang zu den Bakkalaureatstudien könnte man daher weit gehend an den bestehenden Regelungen festhalten. Allerdings mit der Ausnahme, dass eine Reihe von "Massenfächern" mit völlig inakzeptablen Betreuungsverhältnissen das Recht benötigen, die Studiennachfrage mit ihren Ausbildungskapazitäten abzustimmen. Dabei geht es nicht primär um qualitative, sondern um quantitative Aspekte.

Es ist nicht zu erwarten, dass die Politik in allen Fällen die Zahl der finanzierten Studienplätze an den aktuellen Stand der Inskriptionen anpasst, daher sollte in diesen Fällen schon der Zugang zum Bakkalaureatstudium selektiv erfolgen. Die Methode der Selektion - ob sie Aufnahmegespräche führen, den Notendurchschnitt des Schulzeugnisses heranziehen oder den Zufall entscheiden lassen - sollte Sache der jeweiligen Universität sein. (DER STANDARD, Printausgabe, 19.1.2005)