Omar Al-Rawi wurde 1961 in Bagdad geboren und emigrierte 1978 nach Österreich; sein Onkel hat als General 1970 versucht, das Bath-Regime zu stürzen und wurde zum Tode verurteilt. 1973 wurde sein Vater von Saddams Geheimdienst verschleppt und 13 Monate ohne Anklage inhaftiert.

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Stellen Sie sich vor, die USA und die UNO hätten nach der Befreiung Kuwaits 1991 ernsthaft versucht, die Weltsicherheitsratsresolution über die Achtung der Menschenrechte mit Inspektoren und laufenden Kontrollen im Irak durchzusetzen - wenigstens genau so ernsthaft und akribisch wie die Inspektoren der Atombehörde, die auf der Suche nach Massenvernichtungswaffen landauf landab unterwegs waren. Das Ergebnis hätte sich in 10 Jahren sicher sehen lassen können: Die kleinsten Lockerungen, Liberalisierungen bzw. Gesten des guten Willens hätten eine positive Dynamik innerhalb der irakischen Gesellschaft bewirkt - und letztendlich dem Bath- Regime ein Ende bereitet.

Dies lehrt uns die Geschichte Osteuropas in den letzten 30 Jahren als Ergebnis des erfolgreichen KSZE Modells: Europa ist es gelungen mit Verhandlungen, Kompromissen und Geduld, den Kontinent zu einen und zu befrieden, ohne einen Krieg zu führen. - So viel nur zu dem von Ali Al-Zahid entworfenen Szenario der Unausweichlichkeit des Irak-Kriegs. Es gibt immer andere Wege, eines der Probleme in der Behandlung des irakischen Dilemmas ist es aber, nur "Entweder-oder"-Lösungen anzubieten.

Glaubwürdige Ziele?

Es stimmt, dass für die Iraker das Ende der Diktatur und Saddams Regime wichtiger waren als Erfolg oder Misserfolg der nunmehr auch offiziell als gescheitert deklarierte Suche nach Massenvernichtungswaffen - aber wollten die Iraker wirklich einen Krieg oder gar eine Besatzung? Die große Frage, die sich für mich stellt, ist die nach der Glaubwürdigkeit eines "Befreiers", der einen Krieg auf einer Lüge aufbaut und völkerrechtswidrig einen Angriff auf einen souveränen Staat ohne Legitimation durch den Weltsicherheitsrat zu starten.

Was sind seine wahren Intentionen? Wollte er den Irak tatsächlich befrieden und demokratisieren - oder eben nur besetzen und für seine eigenen Interessen verwerten? Warum wurden denn systematisch die vorhandenen Strukturen (Ministerien, Armee, Polizei) zerstört und die Wirtschaft für den eigenen Nutzen organisiert. Warum werden Gefangene im Abu Ghraib Gefängnis gefoltert? Anstatt ein positives Beispiel für Befriedung und Demokratisierung der Region zu sein, ist der Irak heute ein Abschreckungsbeispiel. Ein Land, das von Terror in bisher nicht gekanntem Ausmaß erschüttert und von der Gefahr eines ethnisch und religiös motivierten Bürgerkriegs bedroht wird. Ein Land, das kurz vor dem Zerfall steht.

Zum Krieg kam es nicht, weil es keine Alternative gegeben hätte, sondern weil die Bush-Regierung ihn wollte - ohne jegliches Konzept für die Zeit danach. Hätten die Iraker keinen Widerstand geleistet, würde heute ein pensionierter amerikanischer General (Joe Garner ) oder Zivilverwalter (Paul Bremer) die Geschicke des Iraks lenken - für die Dauer von mindestens vier Jahren, wie es anfangs hieß. Die Misserfolge der beiden sind legendär und wirken bis heute auf dramatische Weise nach.

Es hätte keinen Regierungsrat gegeben, keine provisorische Regierung und wahrscheinlich für viele Jahre keine Wahlen. Der Beginn nächsten Kriege (Syrien, Iran) wären nur mehr eine Frage der Zeit gewesen. Wen wundert es noch, dass die betroffenen Länder kein Interesse an einem Erfolg der USA im Irak haben?

Falsche Strategie

Es war ein großer Fehler, die Falluja-Offensive zu starten. Und es war auch ein Fehler, Nadjaf, Tel Affar, Samara, Basrah, Nasiriya und andere Orte des Iraks zu bombardieren. So schafft man kein Vertrauen, und unter solchen Umständen kann man auch keine freien und korrekten Wahlen abhalten. Die Sunniten wollen den Wahlen fernbleiben, die Kurden (mehrheitlich sunnitisch) haben keine Lust, sich in einem schiitisch dominierten Parlament herumzuschlagen, die Patriotische Union Kurdistans droht mit Boykott und die gesamte Wahlbehörde in Mosul ist zurückgetreten, ja sogar in der irakischen Regierung mehren sich die Stimmen für eine Verschiebung des Wahltermins.

Wer da immer noch glaubt, dass diese Wahlen Ende Jänner die Situation zum Besseren ändern könnten, der hat noch immer nicht begriffen, dass es ohne Einbindung aller Betroffenen und Interessen und ohne konkrete Aussicht auf eine Beendigung der Besatzung keine Lösung geben wird. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 13.1.2005)