Es war Zufall und erstmalig, dass Satelliten am Tag der Flutkatastrophe die Ausbreitung eines Tsunamis beobachteten. Die nun vorliegende Auswertung der Daten zeigt, dass Satelliten ein Frühwarnsystem deutlich verbessern können.

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Es war Routine. Jason und Poseidon taten auch am Stefanitag, was sie schon seit mehr als einem Jahrzehnt während ihrer Erdumkreisungen tun: die Meeresoberfläche unter sich mit Radar abtasten. Dass sich das US-französische Satellitenpaar bei seinen Messungen am 26. Dezember nur zwei Stunden nach dem Seebeben vor Sumatra über dem Golf von Bengalen befand und den Indischen Ozean entlang eines 3000 Kilometer langen Wassergürtels abtastete, war Zufall - und lieferte erstmals exakte Satellitendaten über das Wesen und Verhalten von Tsunamis auf offener See.

Nach einer ersten Datenanalyse steht für Lee-Lueng Fu, den wissenschaftlichen Leiter der Satellitenmission am Jet Propulsion Laboratory der Nasa im kalifornischen Pasadena, fest: geostationäre Erdbeobachter können Tsunami-Frühwarnsysteme massiv verbessern, die Vorwarnzeiten deutlich verlängern. Denn im Vergleich mit allen bisher bekannten Satellitendaten über Veränderungen der Meeresoberfläche durch Wellen - verursacht durch Stürme, Gezeitenkräfte oder Klimaphänomene wie El Nino - zeigten Tsunamis ganz charakteristische Muster. Beginnend mit ihrer Entstehung am Epizentrum des Seebebens.

Zwei Wellenfronten

Der Tsunami breitete sich nach den Daten mit zwei nahezu gleichförmige konzentrische Wellenbergen aus, die in einem Abstand von etwa 700 Kilometern auf die Küsten zurasten. Und im Abstand von etwa 200 Kilometern entwickelten sich dazwischen und dahinter kleinere Wellen, die sich von den nur wenige Zentimeter hohen Wellenbergen der beiden Hauptfronten abgelöst hatten. Zudem, schreibt der britische New Scientist, ließen die Daten auch Schlüsse auf die in der Tiefe des Meeres transportierte Energie der Flutwellen zu.

Die Wissenschafter der US-Raumfahrtbehörde Nasa glichen ihre Messergebnisse auch mit Daten zweier weiterer Satellitensysteme ab, die sich zurzeit der Katastrophe in einem relativ günstigen Blickwinkel zum Indischen Ozean befunden und ebenfalls Daten über die Ausbreitung der Flutwelle gesammelt hatten: Geosat der US-Navy und Envisat der europäischen Raumfahrtagentur Esa. Das Ergebnis überrascht.

Während die Ausbreitungsgeschwindigkeit mit der Wassertiefe zunimmt - bei einer durchschnittlichen Tiefe des Indischen Ozeans von 4000 Metern brachte es die Flutwelle auf etwa 720 km/h - und die Höhe der auf das Festland auftreffenden Wasserfronten mit der Steilheit der Küste abnehmen - die höchsten sollen in einigen Regionen knapp zehn Meter gewesen sein -, nimmt die Wellenhöhe des Tsunamis auf offener See mit der Zeit ab: Die Hauptwelle war zwei Stunden nach dem Seebeben 60 Zentimeter, nach gut drei Stunden 40 Zentimeter und nach acht Stunden nur noch zwischen fünf und zehn Zentimeter hoch - eine exakte Höhe unter zehn Zentimetern konnte von den Satelliten aufgrund ihrer Auflösungskraft nicht mehr errechnet werden.

Bei der Installierung eines Frühwarnsystems nach Vorbild des Pazifiks für den Indischen Ozean, von betroffenen Anrainerstaaten zugesagt und von der Uno unterstützt, sollte laut Lee-Lueng Fu auch daran gedacht werden, einen extra dafür ausgerüsteten geostationären Satelliten über dem Risikogebiet zu platzieren. Zur Ergänzung. Denn terrestrische Überwachungssysteme könnten nur indirekt, nämlich aus der Lokalisierung des Bebenherdes und der Bebenstärke, einen möglichen Tsunami vorhersagen. Was auch die hohe Zahl an Fehlalarmen erklärt: von 20 Warnungen in den vergangenen 50 Jahren im Pazifik waren 15 falsch.

Die Daten vom Katastrophentag seien, da das System nicht auf einen solchen Fall ausgerichtet war, für Warnungen zu spät eingelangt. (Andreas Feiertag/DER STANDARD; Printausabe, 12.1.2005)