Kampf um die Stimmen der "Ehemaligen" im Spiegel der Wahlwerbung: Wie der "dritte Mann" in der österreichischen Parteienlandschaft der Nachkriegsjahre sich selber präsentierte (Plakat des "Verbandes der Unabhängigen" 1949) ...

... und wie ihn ein Mitbewerber sah (KPÖ-Plakat 1953).

Die Bundesregierung hat sich für das von ihr ausgerufene Jubiläums- und "Gedankenjahr" auf die Suche nach Helden begeben – und ist fündig geworden. Auf die Frage, wer sich um Österreich besonders große Verdienste erworben habe, nannte Nationalratspräsident Andreas Khol in der ORF-Pressestunde zuerst kollektiv die Wiederaufbaugeneration, dann die Namen Hurdes, Schärf, Figl, Raab, Kreisky, Pittermann und schließlich, als einzige Partei, den Verband der Unabhängigen. Den Verband der Unabhängigen? Hatte sich Khol vielleicht versprochen?

Nichts deutet darauf hin. Khol setzte sogar noch nach, indem er als weiteren Kandidaten für besondere Würdigungen auch den ehemaligen FPÖ-Obmann und SS-Infanteriebrigadisten Friedrich Peter, der Zeit seiner politischen Laufbahn eine rechtfertigende, beschönigende Haltung zu seiner SS-Vergangenheit eingenommen hatte, hervorhob. Ein kurzer historischer Rückblick scheint angebracht:

Im Jahr 1949 wurde der Verband der Unabhängigen (VdU) in Österreich als wahlwerbende Partei zugelassen. Der VdU war ein Sammelbecken vormals aktiver Nationalsozialisten, eine Partei, die die Beseitigung der Entnazifizierungsgesetze forderte und hauptsächlich jene Menschen vertrat, die sich vor 1945 nationalsozialistisch betätigt hatten und auch nach dem Zusammenbruch des Regimes sich nicht eindeutig von diesem distanzierten.

Ohne Zweifel kann die politische Etablierung des VdU als ein Symptom dafür angesehen werden, dass es in Österreich im Jahr 1945 keine Stunde null im Sinne eines kollektiven ideologischen Bruchs mit dem Nationalsozialismus gegeben hatte.

Doppelte Ironie

Man erinnere sich: Knapp 700.000 Österreicher traten bis 1945 der NSDAP bei. Man erinnere sich weiters: In den Jahren 1946 bis 1948 waren vonseiten der amerikanischen Besatzungsbehörde in Österreich Umfragen zum Nationalsozialismus durchgeführt worden, bei denen zwischen einem Drittel und der Hälfte der Befragten dem Satz zustimmten, der Nationalsozialismus sei eine gute Idee gewesen, lediglich schlecht ausgeführt.

Zurück in die Gegenwart: Knapp sechzig Jahre sind seit dem Ende der NS- Herrschaft vergangen, die Regierung wirbt in ganzseitigen Inseraten für ein "Gedankenjahr", das offenbar nur eine Blickrichtung kennt: dorthin, wo es was zu bejubeln gibt. Was vor 1945 geschah, interessiert offenbar nicht mehr. Kritische Fragen sind unerwünscht. Wie war das eigentlich wirklich mit den Helden der Zweiten Republik?

Waren die Heimkehrer, Trümmerfrauen und Gründerväter, denen wir nach Regierungsdiktion alles zu verdanken haben, nicht vielleicht Teil jener Generation, die Antisemitismus geduldet und gelebt hat, die arisiert und pogromisiert hat, die in den Reihen von Wehrmacht und SS Zerstörung über ganz Europa und schließlich auch über das eigene Land gebracht hat? Sollten wir nicht besser von der Zerstörungsgeneration reden? Oder wäre das zu pauschal – vielleicht sogar fast so pauschal, wie die von Andreas Khol ausgesprochene Huldigung für die Wiederaufbaugeneration?

Dass Khol explizit den VdU als ehrenwürdig herausgestrichen hat, ist ein Skandal und entbehrt zugleich nicht einer doppelten Ironie. Zum einen war es die SPÖ, die 1949 gegen den Widerstand der ÖVP die Gründung des VdU befürwortete. (Ihre Hoffnung, damit das bürgerliche Lager aufsplittern zu können blieb allerdings unerfüllt: Beide Großparteien verloren bei den Nationalratswahlen 1949 etwa in gleichem Maße Stimmen an den VdU, der auf 12% kam.)

Zum anderen kommt es fast schon einer provokativen Intervention, einem Sabotieren des Hurra-Jahres gleich, wenn der Nationalratspräsident der Republik das deutschnationale und ewig gestrige Lager als besonders verdienstvolle Gruppe für das Nachkriegsösterreich anführt.

Das regt zum Nachdenken an – und legt die Frage nahe, ob Khol damit "nur" seinem Koalitionspartner FPÖ, die 1956 das Erbe des VdU antrat, entgegenkommen wollte, oder ob er die personellen und ideologischen Kontinuitäten der NS-Vergangenheit nach 1945 tatsächlich und allen Ernstes als Teilfundamente dessen sieht, was nun als österreichische Erfolgsgeschichte gefeiert wird. (DER STANDARD, Printausgabe, 12.1.2005)