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Schwierige Opfersuche in Khao Lak: Taiwan hat ein eigenes Rettungsteam entsandt.

Foto: APA/EPA/Vinai Dithajohn
Frage: Warum ist es so schwer, einen Überblick über die Opferzahlen zu bekommen?

Antwort: Dies hängt zunächst mit den lokalen Strukturen zusammen: Seriöserweise können nur geborgene Leichen in die Opferstatistik aufgenommen werden – aber auch da greifen die Statistiken nicht, weil keine Verwaltungsorganisation vorhanden ist, die die Zahlen erfassen und zentral aufarbeiten kann. Noch dazu sind mehrere Länder betroffen, die unterschiedliche Systeme haben und auch noch eine unterschiedliche Informationspolitik betreiben. Die bekannt gegebenen Opferzahlen sind daher nicht mehr als Hochschätzungen aus lückenhaften Grunddaten.

Frage: Kann man nicht wenigstens über die Zahl der betroffenen Österreicher genauere Informationen bekommen?

Antwort: Auch solche Zahlen sind nicht global verfügbar – denn nur die großen Reiseveranstalter haben einen Überblick, wie viele Personen sie in Gruppen in die betreffenden Länder gebracht haben. Viele Urlauber aber entfernen sich von der Gruppe, um individuell Ausflüge zu machen (worüber allenfalls örtliche Reiseleiter Bescheid wüssten) oder reisen gleich individuell an, etwa als individuelle "Rucksacktouristen". Es ist daher bis heute nicht bekannt, wie viele Österreicher zu Weihnachten in den betroffenen Ländern waren – und wie viele davon im eigentlichen Katastrophengebiet vermutet werden müssen. So weit es geht kooperieren aber die Reisebüros mit dem Außenministerium.

Frage: Ergibt nicht die Bestandsaufnahme im Außenministerium ein klareres Bild?

Antwort: Dort, wo das Außenministerium – und inzwischen auch das Innenministerium sowie das Bundesheer – Mitarbeiter im Katastrophengebiet hat, wird versucht, die Daten von Betroffenen, vor allem Verletzten und Todesopfern, zu erfassen – diese decken sich aber nicht unbedingt mit jenen Informationen, die etwa über die Hotline des Ministeriums (0501-150-4411) gesammelt wurden. Hier melden sich vor allem Angehörige, deren Kontakt zu Reisenden in die Region abgerissen ist – wenn er aber wieder zustande kommt und alles okay ist, unterbleibt oft die Meldung an den Krisenstab.

Frage: Was sind die größten Probleme für die Menschen in den Katastrophengebieten?

Antwort: Kurzfristig gilt es, Verletzte zu versorgen, wo das bisher noch nicht möglich war. Wenn Verletzte erreicht werden, wird "triagiert", also die Dringlichkeit der Versorgung als Kriterium für die Reihenfolge herangezogen und nicht die Nationalität oder Herkunft. Das in den nächsten Tagen und Wochen wichtigste Projekt ist die Wiederherstellung einer Basis-Infrastruktur.

Frage: Welche Gefahren gehen vom Leichengift der zehntausenden Toten aus?

Antwort: Erstaunlicherweise wenige: Das immer wieder angeführte "Leichengift" gibt es nämlich nicht, auch wenn der Verwesungsgeruch extrem unangenehm ist – die größte gesundheitliche Bedrohung, die von einem Toten ausgeht, kommt von den Bakterien im Verdauungstrakt. Darmbakterien – koliforme Stämme – kommen allerdings in viel größerer Zahl aus den überschwemmten Kläranlagen und aus nicht mehr funktionierenden Abwasserleitungen ins Trinkwasser. Die Aufbereitung von Trinkwasser hat daher besonderen Vorrang.

Frage: Was kann zur Sicherung der Trinkwasserversorgung getan werden?

Antwort: Zunächst einmal werden – besonders in jene Gebiete, aus denen jetzt Touristen ausgeflogen werden – in den auf dem Hinflug leeren Flugzeugen neben medizinischen Hilfsgütern auch Trinkwasserflaschen eingeflogen. Eine gewisse Entspannung der Trinkwassersituation wird zumindest in Touristenzentren dadurch erwartet, dass mit der Abreise der Touristen auch die Zahl der zu versorgenden Personen abnimmt. Außerdem ist die Trinkwasserversorgung in einigen Ländern schon einige Kilometer landeinwärts noch weitgehend intakt. Das österreichische Bundesheer verfügt über mobile Wasseraufbereitungsanlagen, seit Mittwoch sind zwei Teams in Thailand und Sri Lanka zur Erkundung unterwegs.

Frage: Wer wird zuerst heimgeholt, und was wird das kosten?

Antwort: Je genauer der Überblick ist, wo noch Österreicher auf eine Evakuierung warten, desto routinierter kann die Kapazität auf den Rückflügen vergeben werden. Auch bei der Rückführung von Österreichern gilt die Schwere der Verletzung und der Grad der Traumatisierung als Kriterium für die ersten Plätze auf dem Heimflug. Die Kosten für von der Republik Österreich organisierte Heimflüge werden üblicherweise vorgestreckt – es wird dann versucht, vorhandene und nicht verbrauchte Rückflugtickets gegenzuverrechnen. Im Krisenstab wird darauf Bedacht genommen, dass Katastrophenopfer aus Österreich für ihre vom Staat organisierte Heimreise möglichst keinen Eigenbeitrag leisten müssen. Für die Organisationskosten (die derzeit noch nicht abschätzbar sind) kommt ohnehin der Steuerzahler auf.

Frage: Ist es möglich, auf eigene Faust vermisste Angehörige zu suchen?

Antwort: Davon wird strikt abgeraten, da jemand, der keine adäquate Ausbildung besitze, an Ort und Stelle mehr störe als helfen könne. Österreich hat Cobra-Beamte (Gendarmen mit Spezialausbildung) ins Krisengebiet entsandt. (DER STANDARD, Printausgabe, 30.12.2004)