Wien - Der beurlaubte ukrainische Ministerpräsident Viktor Janukowitsch soll den am Montag tot aufgefundenen Verkehrsminister des Landes, Heorhij Kirpa, laut einem Bericht des deutschen Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" (Online-Ausgabe) vor Kurzem krankenhausreif geschlagen haben. Der Grund dafür sei gewesen, dass Kirpa dem Premier nach der erstmaligen Austragung der Präsidenten-Stichwahl am 21. November, bei der der Regierungschef kandidierte, die Gefolgschaft versagt habe.

Die Umstände rund um den Tod des Verkehrsminister sind ungeklärt. Der Politiker war am Montag erschossen in seinem Wochenendhaus nahe Kiew aufgefunden worden. Neben der Leiche sei eine Pistole gefunden worden, berichtete die Nachrichtenagentur Interfax. Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren wegen "erzwungenen Selbstmordes" ein. "Der Spiegel" berichtete von Spekulationen, wonach Kirpa "aus dem eigenen Lager gemeuchelt" wurde.

Das Magazin beschreibt Kirpa als einen der "mächtigsten und reichsten Männer der Ukraine" und "engen Vertrauten" des scheidenden Staatspräsidenten Leonid Kuschma. Gleichzeitig sei er Rivale von Janukowitsch im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur des Regierungslager gewesen.

Nach dem 21. November soll Kirpa im Parlament mit der Opposition und damit für die Annullierung der durch Manipulationen geprägten Präsidenten-Stichwahl gestimmt haben, aus der Janukowitsch vorläufig als Sieger hervorzugehen schien. Darüber hinaus habe der Verkehrsminister zugelassen, dass neben Waggons mit Janukowitsch-Demonstranten aus dem Osten auch Züge aus der Westukraine voller Anhänger des Oppositionskandidaten und nunmehrigen designierten Präsidenten Viktor Juschtschenko zu Massendemonstrationen nach Kiew gelangen konnten.

Wie die "Spiegel"-Online-Ausgabe weiter berichtete, wurde Kirpa danach in ein Krankenhaus eingeliefert. Dass er zuvor von Janukowitsch verprügelt worden sei, hat Kirpa demnach weder bestätigt noch dementiert.

Nach dem Sieg Juschtschenkos bei der Wiederholung der Stichwahl am vergangenen Sonntag habe sich der Konflikt um Kirpa weiter zugespitzt. Der Verkehrsminister habe sich geweigert, Transportkapazitäten für Janukowitsch-Unterstützer aus dem Osten und Süden des Landes zur Verfügung zu stellen. In der Tat hätten die angekündigten Schlägertrupps aus dem Donbass und von der Krim Kiew bis heute nicht erreicht.

Nach Informationen der polnischen Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" war Kirpa an den Wahlfälschungen des 21. November beteiligt, hat dann offenbar aber einen Gesinnungswandel vollzogen. Er soll das so genannte Karussell organisiert haben, bei dem vor allem in den östlichen Bezirken Lugansk und Donezk Janukowitsch-Anhänger mit Bussen von Wahllokal zu Wahllokal chauffiert worden seien, damit sie ihre Stimmen mehrmals abgeben konnten. Daher habe der Verstorbene die anderen in die Manipulationen verwickelten Personen gekannt.

Laut dem "Spiegel" gibt es Gerüchte über Schlägereien unter Politikern in der Ukraine immer wieder. Der scheidende Präsident Kutschma etwa soll nach der Wahl vom 21. November Janukowitsch geohrfeigt haben, weil dieser nicht gänzlich seinen Vorgaben entsprochen habe. (APA)