Berlin - Der deutsche Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hat vor einem weiteren Erstarken der Rechtsextremisten in Deutschland gewarnt. Die Erfolge von NPD und DVU bei den letzten Landtagswahlen hätten gezeigt, dass diese Parteien in den vergangenen Jahren erfolgreich gearbeitet hätten, sagte er in einem dpa-Gespräch. Seit dem Scheitern des Verbotsantrags vor dem Bundesverfassungsgericht trete insbesondere die NPD immer offensiver und radikaler auf.

"Die NPD-Führung hat ihre Arme weit ausgebreitet, um auch noch die radikalsten Extremisten in ihren Reihen aufzunehmen und eine rechte Volksfront zu formieren", sagte Thierse. Nach seinen Worten haben vor allem Länder und Kommunen dieses Problem nicht ernst genug genommen. "Wer weniger Geld für Jugendarbeit ausgibt, der muss sich nicht wundern, dass die NPD dort Jugendliche aufsammelt und ihnen eine Art emotionaler und ideologischer Heimat gibt."

Die Auseinandersetzung der demokratischen Parteien mit den Rechtsextremisten werde auch dadurch erschwert, dass diese Kräfte "ein Protestbedürfnis eines Teils der Bürger" bedienten. Sie präsentierten sich häufig als Sachwalter des Kleinbürgertums und seien so als Anti-Demokraten nur schwer zu fassen. Nach Thierses Ansicht sind allgemeine Beschimpfungen und demonstrative Ausgrenzung der Rechtsextremisten der falsche Weg, sich damit auseinander zu setzen. Man müsse den Menschen vielmehr klarmachen, dass diese Parteien nirgendwo konstruktive Problemlösungen zu bieten hätten.

Mit Blick auf die Vorgänge im sächsischen Landtag, wo vermutlich CDU-Abgeordnete bei zwei Abstimmungen mit der NPD gestimmt haben, nannte es Thierse beunruhigend, dass "es am rechten Rand einer Volkspartei eine Überlappung mit den Rechtsextremisten gibt". Dies habe die NPD in ihrem Selbstbewusstsein deutlich gestärkt. Es sei auch kein Zufall, dass die Partei ihre Zentrale in der Überzeugung nach Sachsen verlegt habe, dort ein Publikum für "ihre einfachen Botschaften" zu erreichen.

Nach Thierses Überzeugung ist das Erstarken der Rechten kein auf Ostdeutschland beschränktes Phänomen. Wegen der Radikalität der Veränderungen im Osten und verbreiteter sozialer Ängste seien die Menschen in den neuen Länder aber für solche Vorstellungen "leichter abrufbar". Dabei wirkten autoritäre Muster aus kommunistischer Zeit nach, weil NPD und DVU sozialistisches Gedankengut und eine nationale Ausrichtung miteinander vermischten. (APA/dpa)