Die chinesische Führung hat der demokratisch gewählten Regierung unter Präsident Chen Shuibian unverblümt mit einer bewaffneten Invasion gedroht, wenn sie Weichen stellt, die Taiwan in die Unabhängigkeit führen. Peking verstehe unter solchen Schritten etwa die von Chen beabsichtigte Änderung der Verfassung und sein für 2006 geplantes Referendum dazu.

"Wenn sie dies wagen sollten, werden unsere bewaffneten Kräfte keinen Preis scheuen, um ihre Ränke zur Spaltung des Landes unter allen Umständen zu zerschmettern." China verankerte solche Drohungen in seinem am Montag veröffentlichten neuen Weißbuch zur Verteidigung.

"Für die Armee ist es eine heilige Pflicht, Taiwans Unabhängigkeitskräfte zu stoppen." Ihre Aktivitäten seien "die größte unmittelbare Gefahr" in der derzeitigen Lage. Zugleich wurden die USA beschuldigt, mit Waffenlieferungen ein "falsches Signal" zur Ermutigung der Führung Taiwans zu geben.

Peking ist nach Aussagen seines Weißbuches aber "jederzeit gesprächsbereit", wenn Taiwan wieder zur Ein-China-Politik zurückkehren sollte. Der "feindliche Zustand" zwischen beiden Seiten könnte sofort beendet werden und vertrauensbildende Maßnahmen vonseiten der Militärs aus ergriffen werden.

Konzertierte Aktion

Die erneuten Drohungen gegen Taiwan sind Teil einer konzertierten Aktion, mit der die chinesische Führung das Thema Wiedervereinigung im Jahr 2005 auf ihre politische Tagesordnung setzen will. Der Volkskongress soll auf seiner nächsten Tagung im März das erste "Anti-Abspaltungsgesetz" des Landes verabschieden.

China will damit dem möglichen Militärschlag einen legalen Anstrich geben, sollte Taiwan eine Unabhängigkeitserklärung abgeben oder andere Aktionen unternehmen, die von Peking als Abspaltung interpretiert werden. Das Staatliche Amt für Wehrerziehung kündigte an, im Jahr 2005 die Frage der "Einheit des Landes" zum Schwerpunkt seiner landesweiten Schulungen zu machen. (DER STANDARD, Printausgabe, 28.12.2004)