Spartas Meistermannschaft 1959

Eine alte Ansicht des Sparta-Stadions

Fußball und Rotterdam – wer denkt da nicht an Feyenoord, Kuip, Happel, Weltpokal, Gullit. Doch es lohnt, sich in der niederländischen Hafenmetropole genauer umsehen. Es findet sich hier im Schatten des großen Nachbarn nämlich der älteste Klub des Landes. Sparta. Die Spartaner waren Pioniere des Spiels in Holland und sein würdiges Aushängeschild.

Einem ersten Gründungsversuch 1887 folgte die Auflösung gleich auf dem Fuße. Ein Jahr später wagte man einen neuen Anlauf, welcher sich denn auch als deutlich langlebiger erweisen sollte. Nach einer Vorbesprechung im Garten des ersten Säckelwarts, eines Herrn Hoos, wurden flugs Statuten in Kraft gesetzt und der 1. April als offizielles Gründungsdatum vermerkt. Wie so viele Klubs der Frühzeit begann auch Sparta mit Cricket, aber schon drei Monate später wurde mit einem geschenkten Ball gekickt. Noch im selben Jahr kam von Excelsior die erste Einladung zu einem Match. Wie die Angelegenheit konkret aussehen sollte war allerdings alles andere als klar. "Wir wollen gern elf gegen elf spielen, aber wir kennen uns beim Fußball nicht aus", hieß es im Brief des Excelsior-Vorsitzenden.

Dem Neuen zugeneigt

Die junge Generation übernahm forsch Verantwortung. Die Funktion des Klubsekretärs ging an den dreizehnjährigen J.F. de Vogel. Ebenfalls in der Verwaltung werkend: H.F.B. Cokart, fünfzehn. Zwei weitere Teenager C.W. van der Ende (16) und Jan Stok (13) gehörten ebenfalls zu den Jungs der ersten Stunde. Sie sollten Sparta bis zu ihrem Tod verbunden bleiben.

1890 schließt sich der Verein dem erst drei Monate alten Niederländischen Fußball und Athletikbund an und nimmt in der zweiten Klasse an der im Cupsystem ausgetragenen Meisterschaft teil. Der Wettbewerb endet für Rotterdam eher rasch nach einer Niederlage im ersten Spiel. Weiter wahre Pioniere, machten die Spartaner zwei Jahre später als erstes Team in Holland Reklame für ein Fußballwettspiel. Der Eintritt gegen Amersfoort war frei. Es gibt nun offiziell vom Verband gestellte Schiedsrichter und statt dem zwischen den Torstangen gespannten Seil, tritt die Querlatte auf den Plan. Wenig später gibt sich Sparta erneut avantgardistisch und hängt Netze in die Goals.

Ein anderes bemerkenswertes Unterfangen scheitert hingegen. 1886 hatte der English Ladies Footballclub aus London bei den weiblichen Vereinsmitgliedern angefragt, ob etwa Interesse an einem Kräftemessen bestünde. Dies wurde bejaht und der Klub stimmte der Ausführung des Experiments zu. Doch da waren die Herren des Fußballverbandes vor und untersagten Sparta unter Ausschlussdrohung das Treffen. Es sollte bis 1972 dauern, ehe Frauenteams in den Niederlanden offizielle Anerkennung erfuhren.

1893 sind die Rotterdammer erstklassig. Alle Augen richteten sich auf den Spieler Jan Stok, der sich der bis dato noch nie gesehenen Technik des Kopfballspiels bediente. Für das selbe Jahr gilt es das erste Kräftemessen eines niederländischen Teams mit einem englischen Gegner zu vermerken. Sparta verliert gegen Harwich and Parkeston FC 0:3 und 0:8. Ein britischer Verein stand übrigens auch Pate beim Design des inzwischen klassischen Sparta-Trikots. Die rot-weiß gestreiften Leibchen von Sunderland gefielen derart, dass einige davon gebraucht erworben wurden um hinfort auch die Spartaner zu kleiden.

Die ersten beiden Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts waren die erfolgreichsten für Sparta. Bis 1916 konnte fünf Mal der Meistertitel gewonnen werden. Danach folgte 1959, dann schon in der Profiära der Ehrendivision nur noch einer. In der zu diesem freudigen Ereignis eigens herausgegebenen "Meisterzeitung" hieß es, das alte Sparta habe es verstanden "ewig jung zu bleiben. Jung in seinen Auffassungen, wodurch es immer in der Lage blieb, mit der Zeit zu gehen."

Sparta in Spangen

Sparta wechselte – auch das ein typisches Merkmal für die Frühgeschichte des Fußballs – oft seine Spielstätte. Das hatte einmal damit zu tun, dass der neuartige Zeitvertreib zu Beginn durchaus scheel angesehen wurde und daher von den Wohngebieten ferngehalten werden sollte. Ein anderes Problem waren ungünstige Umweltbedingungen. So stand die sogenannte Schietbaan, eine Wiese in der Nähe der Maas, so oft unter Wasser, dass an sinnvollen Spielbetrieb nicht zu denken war. Das Spielfeld an der Prinsenlaan, auf dem man so erfolgreiche Jahre verbrachte, grenzte an einen Friedhof, den die Stadtverwaltung vergrößern wollte. Erneut musste Sparta weichen.

1916 schließlich landete der Verein im westlich des Stadtzentrums gelegenen Viertel Spangen und konnte dort ein Stadion errichten: das "Kasteel". Ein Name ein Programm. Nicht weit von der Stelle wo im Achzigjährigen Krieg das Kastell der Herren von Spangen gestanden haben soll, errichtete man nun eine vierkantige Arena nach englischem Vorbild, das Klubgebäude gestalteten die Architekten De Roos & Overeijnder mit einem von zwei turmartigen Flügeln eingefassten Eingangstor als potemkinsche Burg. Nun war Sparta auch noch der erste niederländische Klub mit eigenem Stadion. 12.000 Menschen fasste das Kasteel anfänglich, seine größte Kapazität erreichte es mit 30.000.

In den 1990er Jahren beschloss man nach jahrelangem hin und her um einen Auszug aus Spangen und einem möglichen gemeinsamen Stadionprojekt mit Excelsior am Stadtrand, schließlich doch eine umfangreiche Renovierung der alte Spielstätte. Dazu wurde das Spielfeld um 90 Grad gedreht, es entstanden Business-Seats und Skylogen – der ganze Klimbim den man im heutigen Fußball eben so braucht. In einem neuen Hauptgebäude sorgen Räumlichkeiten für Konferenzen, Geschäfte und ein Restaurant für ökonomische Impulse, die das Viertel gut gebrauchen kann. Sogar Heiraten kann man jetzt im Kasteel. Die alte charakteristische Bausubstanz konnte – wenn auch nicht in ihrer Gesamtheit – erhalten werden.

Der Verein ist eine Institution in Spangen, manifestiert etwa durch die Existenz einer Spartastraße – die Endstation der Straßenbahnlinien sieben und acht. Und eines der wenigen Aushängeschilder, denn die Gegend gilt als notorischer Problembezirk: Drogen, Kriminalität, Verwahrlosung. Die Bevölkerung setzt sich aus vielen Nationalitäten zusammen, insbesonders marokkanische Einwanderer sind zugezogen. Die Politik reagierte zuletzt mit einem Initiativprogramm zur Wohnbausanierung, Mitarbeiterteams gehen gegen Vermüllung, Vandalismus und ähnliche Übel vor. Bei Schlimmerem wird die Polizei verständigt, deren Präsenz auf den Straßen ebenfalls verstärkt wurde. "Resultaat op Straat" nennt sich das. Insofern passt es ins Bild, dass auch der Populist Pim Fortuyn bekennender Sparta-Fan war. Die Bezirksorganisation der von ihm gegründeten politischen Bewegung trifft sich noch heute im Kasteel.

Sparta hat in 116 Jahren nur drei Saisonen nicht auf höchstem niederländischen Niveau verkehrt, seit der Einrichtung der Ehrendivision im Jahr 1956 war Abstieg überhaupt ein Fremdwort. Das galt sonst nur für die großen drei: Ajax, PSV und Feyenoord. Doch dann kam 2002, als es die Spartaner doch noch erwischte. Und das ausgerechnet unter dem großen Frank Rijkaard. Nach verlorener Relegationsrunde trat er als Trainer zurück: Eine Todesdrohung gegen ihn und seine Familie war eingegangen. (Michael Robausch)