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24. Dezember 1989: Bukarester Demonstranten schützen sich vor den Gewehrsalven der Truppen.

Foto: Saribas/Reuters
Bukarest/Wien - "Ruhe! Ruhe.", rief Nicolae Ceausescu. Zuerst bestimmt, dann immer zögerlicher. Unsicherheit war in seinem Gesicht zu lesen. Der Conducator, der Jahrzehnte lang ein immer dichteres Netz von Spitzeldiensten aufgebaut hatte, seine Familienmitglieder in wichtige Ämter hievte und Kritiker brutal verfolgen ließ, hatte vor einem einzelnen Zwischenruf Angst bekommen.

"Wir sind keine Lümmel", hatte der Mann in der Menge spontan hinausgeschrien. Ceausescu hatte die Demonstranten, die seit ein paar Tagen in Timisoara auf die Straße gingen, um gegen die Versetzung des Pfarrers László Tökés zu demonstrieren, so bezeichnet.

Der Satz: "Wir sind keine Lümmel", gelangte am 22. Dezember 1989 über das Fernsehen in die Wohnzimmer der Rumänen. Die Buhrufe unter dem Balkon des Gebäudes des Zentralkomitee auf dem Ceausescu stand, wurden stärker. Der Diktator entschied sich am nächsten Tag wieder zu kommen. Da wurden er und seine Frau bereits mit Steinwürfen empfangen. Die Soldaten griffen nicht ein. Zuvor hatte Verteidigungsminister Vasile Milea verweigert, Gewalt anzuwenden und sich dann das Leben genommen.

Armee und Partei

Das Ehepaar Ceausescu floh mit dem Hubschrauber. Zu dem Zeitpunkt hatten die samtenen Revolutionen in einigen Ländern bereits die kommunistischen Machthaber aus den Ämtern gejagt. Doch anders als etwa in Ungarn wurde die Revolution in Rumänien nicht von der Zivilgesellschaft getragen, sondern von Teilen der Armee und der kommunistischen Partei, die Ceausescu absetzen wollten.

Bis heute ist nicht klar, wer gegen wen schießen ließ und weshalb noch nach der Flucht des Diktators 942 Menschen gewaltsam starben. Ion Iliescu wird vorgeworfen, damals absichtlich für Chaos gesorgt zu haben, um die Macht übernehmen zu können.

Ceausescu und seine Frau Elena wurden in die Militärgarnison Tragoviste gebracht. Am 25. Dezember wurden sie vor einem Tribunal wegen Genozid und Untergrabung der Staatsgewalt und Nationalökonomie angeklagt. Am gleichen Tag noch hielt ein Fotograf fest, wie die beiden im Hinterhof der Kaserne von Schüssen getroffen in den Staub sackten. Die Schützen hatten auf keinen Befehl gewartet und weitergeschossen, als die beiden längst tot waren. So, als ob sie nicht ganz sicher waren, dass die Ceausescus und mit ihnen das Regime tatsächlich sterben können.

Mit der Hinrichtung wurde den Rumänen die Revolution gestohlen. Ein Prozess, der einem Rechtsstaat entspricht, eine öffentliche Konfrontation mit dem Netzwerk der Tyrannei, eine Aufarbeitung der Vergangenheit waren verhindert worden. In Rumänien kam es nicht zu einem umfassenden Wechsel der Eliten. Korruption und Repression blieben Tradition.

Kurz nach dem Dezember 1989 waren alte Parteikader wieder an der Macht. 30 führende kommunistische Funktionäre wurden zwar verurteilt, 1994 waren sie jedoch wieder frei. Erst ab dem Jahr 2000 begann man die Securitate-Archive zu durchforsten. (Adelheid Wölfl/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24./25./26.12.2004)