Bild nicht mehr verfügbar.

Welche Flugroute wird der amerikanische Adler in den kommenden vier Jahren nehmen? Präsident George Bush muss sich jedenfalls keiner Wiederwahl mehr stellen.

Foto: Reuters/Larry Downing
Hans Rauscher hat sich in einigen Think-Tanks in Washington umgehört, was sich die Experten von Bushs zweiter Amtszeit erwarten.


Washington - Was wird George W. Bush in seiner zweiten Amtszeit tun? Gegenüber Europa, im Irak, in der Innenpolitik? Um eine Ahnung davon zu bekommen, klappert man in Washington am besten die wichtigsten Think-Tanks ab. Diese Denkfabriken sind in den USA weitaus einflussreicher als in Europa. Sie entwerfen politische und wirtschaftliche Strategien, ihre Experten ziehen oft in die Regierung ein. Think-Tanks sind ideologisch selten neutral, sie bieten keine "objektive Analyse", sondern eine Gebrauchsanweisung - oder eine Theorie - für die Gestaltung der Welt.

Die konservative "Bush-Revolution" wurde im Wesentlichen von der "Heritage Foundation" geformt. Hier rühmt man sich, großen Einfluss auf die Administration Bush zu haben: "Wir hatten soeben eine Präsentation im Nationalen Sicherheitsrat über unsere neue Europapolitik, Condi Rice war ziemlich aufgeschlossen", sagt Helle Dale, Direktor für Außenpolitische und Verteidigungsstudien bei "Heritage". "Unsere Vorschläge sind noch nicht offizielle Politik, aber die Dinge bewegen sich in unsere Richtung." Das Europa-Konzept von Heritage läuft offen darauf hinaus, eine weitere Integration der EU zu sabotieren. "Die USA sollten den Mitgliedsstaaten, die ihre Politik nicht von Brüssel bestimmt sehen wollen, eine alternative Vision bieten. Wir wollen ein starkes Europa, aber nicht eines, das die Politik der USA bekämpft. Wir ziehen es vor, 25 Außenminister als Partner zu haben statt einem von der EU."

Kein Wunder, dass liberale Denker wie Charles Kupchan von einem "transatlantischen Auseinanderdriften" sprechen und sogar ein "Ende des Westens" sehen (siehe Interview: "Einheit des Westens in Gefahr"). Andere liberale Experten wie Dan Hamilton, der Chef des "SAIS Center for Transatlantic Relationships", sind optimistischer: "Wir ergänzen einander: Europa hat eine gute Rolle bei der Unterstützung der demokratischen Opposition in der Ukraine gespielt. Ihr könntet auch beim Aufbau einer Zivilgesellschaft nach den Wahlen im Irak und anderswo mithelfen."

Aber sind nicht die USA gerade dabei, den Krieg im Irak zu verlieren? "Nein, überhaupt nicht", sagt Reuel Marc Gerecht vom "American Enterprise Institute", einem anderen wichtigen konservativen Think-Tank. Zum Irak: "Die Schiiten sind die große Mehrheit, und sie wollen Wahlen und Demokratie. Ich halte es für ausgeschlossen, dass die Sunniten diesen Prozess zum Entgleisen bringen können." Gerecht war früher Spezialist für den Mittleren Osten bei der CIA und, wie er selbst schreibt, "Spion im Revolutionären Iran". Er ist Mitarbeiter beim neokonservativen Hauptorgan Weekly Standard und hat soeben eine Monografie "The Islamic Paradox" veröffentlicht. Darin verficht Gerecht eine provokante These: Es sei sinnlos, von den jetzigen absoluten Herrschern wie den Saudis oder auch Ägyptens Mubarak Reformen zu erwarten. Ebenso wenig könne sich die verwestlichte, relativ liberale Schicht durchsetzen, sie sei einfach zu dünn. Früher oder später würden die islamischen Kräfte an die Macht kommen - vorzugsweise durch Wahlen. Einmal an der Verantwortung, würden sich auch Fundamentalisten mäßigen: "Wenn man ihnen erlaubt, bei Wahlen anzutreten und Regierungsämter einzunehmen, wird eine Evolution in Richtung Demokratie einsetzen - wie im Iran."

Selbst liberale Beobachter wie Robert Guttmann vom "Center for Transatlantic Relations" glauben nicht, dass die Misere im Irak Bush oder den Republikanern schaden wird: "Der Krieg ist kein großes Thema." Die Demokraten hätten niemand aufzuweisen. Hillary Clinton sei viel zu liberal in einem "nach rechts gerückten Land". Bush wolle jetzt sein Megaprojekt, die Privatisierung der Pensionsversicherung, durchziehen.

Und: Vielleicht werde er seinen Bruder Jeb, Gouverneur in Florida, ins Kabinett nehmen - um ihn für eine Präsidentschaftskandidatur 2008 vorzubereiten. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.12.2004)