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Wenn Eltern ihre Schützlinge nicht zu bändigen wissen, treten die TV-Kindermädchen auf den Plan, mittlerweile fünf im deutschsprachigen Fernsehen. Mittwoch kommt mit der Dokusoap "Fit for Kids - Eltern auf Probe" eine sechste dazu. Bald auch in Österreich.

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Der Zuschauer, das unbekannte Wesen: Praktisch von einem Tag auf den anderen hatte er keinen Spaß mehr am Wettsingen, verabscheute Schönheitsoperationen, Wandern im Grünen ödete ihn an. Die ganze Realitychose schien vor dem endgültigen Niedergang zu stehen. Doch dann kamen die "Supernannys": Unter den unzähligen Flops im Fernsehen des abgelaufenen Jahres (siehe dazu: Programmplaner, voll daneben) zeichnet sich spät ein überraschender Erfolg ab.

Wenn Kinder Geschwister verhauen, wild um sich brüllen, abends nicht zu Bett gehen oder morgens nicht aufstehen wollen, kurz: Wenn Eltern ihre Schützlinge nicht mehr zu bändigen wissen, treten die TV-Kindermädchen auf den Plan, mittlerweile fünf im deutschsprachigen Fernsehen. Mittwoch kommt mit der Dokusoap "Fit for Kids - Eltern auf Probe" eine sechste dazu.

Zum Beispiel Florian: Der Fünfjährige terrorisiert die ganze Familie, schlägt, schreit, spuckt, tritt. Vor allem seine kleine Schwester hat darunter zu leiden. Die Eltern haben fast aufgegeben: Wenn sie ihren Sohn bestrafen, wird er noch unberechenbarer. Was tun, fragte DER STANDARD die ProSieben-Nanny Maike Schumann: "Es könnte sein, dass zu viele, aber auch zu wenige Grenzen gesetzt werden. Genaues kann ich erst sagen, wenn ich die Familie kenne."

Ein Fall, mit dem die RTL-Supernanny Katharina Saalfrank konfrontiert ist. Sie stellt fest, dass sich die Eltern wenig mit den Kindern beschäftigen und formuliert Regeln für Kinder und Eltern. Dazu gibt es einen genau festgelegten Tagesablauf, der Struktur in das Familienleben bringen soll.

"Supernanny" erreicht bis zu 5,6 Millionen Zuschauer. Deshalb produziert RTL eifrig und engagiert ab Jänner eine Kollegin. Saalfrank selbst hat ihren Job als Musiktherapeutin längst gekündigt.

Die Anliegen der Pädagoginnen sind durchwegs ehrenhaft: "Diese Familien sind in Not", sagte etwa Saalfrank in einem Interview. "Es ist gut, dass das Thema in die Medien kommt. Viele Eltern sind überfordert", meint Schumann.

Das Format ist dennoch umstritten: Psychologen kritisieren die strenge Hand, mit der die Nannys mitunter durchgreifen. Empfehlungen, Kleinkinder einfach schreien zu lassen, sind manchen zu restriktiv. "Demokratisch" nennt die Schumann ihren Erziehungsstil. "Kinder sollen mitreden dürfen, aber nicht den Alltag selber bestimmen. Es kann nicht sein, dass sich ständig alles um ein Kind dreht."

Gestresste Kinder

Unabsehbare Folgen für die Kinder durch die ständige Kamerapräsenz, bezweifelt sie. "Die Kameraleute sind nicht auf der Jagd nach guten Bildern", meint Schumann. "Wenn sie merken, dass die Kinder gestresst sind, brechen sie ab." An dem ursprünglich aus Großbritannien stammenden Format hat mittlerweile auch der ORF Gefallen gefunden. Zuletzt griff Erziehungsberaterin Martina Leibovici-Mühlberger bei "Help TV" einer Mutter unter die Arme, die sich mit ihrem Vierjährigen nicht mehr zu helfen wusste. Eine Show ist allerdings nicht geplant. Anders ATV+: Der Privatsender verspricht für März österreichische Nannys.

Dass selbst verzweifelte Zuschauereltern von televisionären Erziehungstipps bald genug haben, steht vorerst nicht zu befürchten: Die RTL-2-Version "Supermamas" schwächelt wohl, weil der Sender der Show still und heimlich einen neuen Sendeplatz verpasst hat, ohne Programmzeitschriften zu informieren. (Doris Priesching/DER STANDARD, Printausgabe, 22.12.2004)