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Foto: Archiv
Zuerst noch ein kleiner Nachtrag zur Eckerlkäse-Diskussion, der ein meiner Meinung nach äußerst interessantes und weites Themen-Feld öffnete: Im Zuge der Verkostungen diverser österreichischer und französischer Schmelzkäse-Produkte und im Zuge der latent brodelnden und in letzter Zeit fallweise aufflackernden Debatte um Tomaten-Juice im Flugzeug, erinnerte mich, dass es an Bord des Aeroplans da ja noch ein kulinarisches Ritual gab, das allerdings und sehr zu meinem Bedauern fast völlig verschwunden ist: der salzige Cracker und der Gervais. Ich erwarb also noch ein Produkt, das auch schon sehr lange nicht mehr auf der Einkaufsliste stand, nämlich die an sich ja famosen und in ihrer Cracker-Haftigkeit nachgerade unübertrefflichen Tuc-Cracker und verkostete diese mit einem Gervais-Schmelzkäse. Das Ergebnis war berauschend. Wobei nicht so sehr der Geschmack beeindruckte, der bewegte sich hauptsächlich im indifferent salzigen Bereich (mit leicht malzigen Süß-Akzenten der Tuc’schen Maltodextrose), sondern eher diese fantastische Harmonie aus irrsinnig knusprig und irrsinnig weich. Ich entsann mich diverser Gespräche mit asiatischen Küchenchefs, die immer wieder darauf zu sprechen kamen, dass die „Textur“ eines Gerichtes eigentlich mindestens so wichtig sei wie der Geschmack, und dass bei gar nicht wenigen Gerichten die Textur überhaupt sogar das Wichtigste an der Sache sei. Interessanterweise bot sich da auch gerade der Besuch des einigermaßen neuen japanischen Restaurants „Hidori“ (Burgg. 89, 1070 Wien, Di-So 18-24 Uhr. 01/523 39 00) an, in dem Yakitori die Spezialität ist, die einigermaßen scharf gegrillten Mini-Spießchen, die unter der Tyrannenherschaft des Sushi ja fast gänzlich von der Bildfläche japanischer Speisekarten in Wien verschwunden sind. Und bei diesen Yakitori-Spießchen gehe es, so erklärte mir meine Lieblings-Japanerin, in erster Linie um den „Biss“ und viel weniger um den Geschmack. Weshalb da also auch klein geschnittenes Rinderherz oder Hühnermägen auf die Hölzchen gespießt werden, die jetzt nicht unbedingt ein aromatisches Feuerwerk eröffnen, noch dazu nahezu ungewürzt, dafür aber umso schwerer zu beißen sind. Okay, jetzt gilt es nicht unbedingt als das höchste Ziel der abendländischen Kochkunst, Dinge auf den Teller zu bekommen, bei denen man Angst um seinen Zahnersatz kriegen muss (es passiert eh oft genug). Aber das wirklich große Spektrum an Textur haben wir hier ja nicht unbedingt, vor allem nicht innerhalb einer Speise. Wobei das Wiener Schnitzel mit Erdäpfelsalat zumindest drei verschiedene Textur-Aggegatzustände zu bieten und auch der Schweinsbraten mit Kruste durchaus sinnliches Knusper-Vergnügen zu vermitteln vermag. Aber sonst ist Fleisch bei uns halt im Idealfall zart oder mürb, je nach Zubereitungsart, Fisch im Idealfall weich, und beim Gemüse, wo es ja ein unendliches Spektrum an Biss-Erlebnissen gäbe, versagen wir leider überhaupt, da ist indifferentes „weich“ noch fast das beste, was einem passieren kann. Nicht selten drängt sich in mir der Verdacht auf, dass in Österreichs „besserer“ Gastronomie überhaupt nur für Zahnlose und Zungenlahme gekocht wird (Ausnahmen wie der famose Heinz Hanner, der die Textur seiner Kreationen durchaus durchkomponiert, bestätigen die Regel). Süß, sauer, salzig, bitter, scharf, weich und hart, saftig und knusprig, hell und dunkel, gekocht und roh – Großmeister der asiatischen Küche machen sich da mitunter ganz schön Gedanken, bis eine Speise ordentlich durchgedacht ist. Diese mühsame Arbeit, so unterstelle ich jetzt einmal, lassen viele Küchenchefs der westlichen Welt einfach einmal sein.