Vom Verhandlungsverfahren her wird die Türkei gemäß den jüngsten Brüsseler Beschlüssen im Kern mit den gleichen Spielregeln und "denselben (Kopenhagener) Kriterien" rechnen können wie die EU-Beitrittsbewerber aus Ost- und Ostmitteleuropa sowie Malta und Zypern 1998 und 2000.

Zwar haben sich Türkei-skeptische Länder wie Österreich bemüht, in den Schlusserklärungen Formulierungen unterzubringen, die nahe legen, dass einzelne Staaten stärkeren (einschränkenden) Einfluss auf den Gang der Geschehnisse haben können, dass es keine Erfolgsgarantie gäbe. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel sprach von einem "substanziell anderen Verfahren", weil "die Aufnahmefähigkeit der Union" wieder explizit angesprochen sei.

Aber wie schon bei Polen oder Rumänien bleibt es verfahrensmäßig schwierig, den komplexen Beitrittsprozess zu stoppen. Grundsätzlich werden Beitritte vom EU-Ministerrat, in dem die Regierungen vertreten sind, geführt. Dessen ausführendes Organ ist die EU-Kommission, die mit den Beitrittswerbern aus der Türkei die Detailverhandlungen führt. Die Kommission ist es auch, die Vorschläge für Lösungen und Änderungen ins Verfahren einbringt. Das Europäische Parlament spielt bei den Verhandlungen keinerlei Rolle, es kann aber das Endergebnis mit Mehrheit ablehnen. Gemäß dem Auftrag der Staats- und Regierungschefs wird für die Türkei von der EU-Kommission ein "Verhandlungsrahmen" erstellt. Die einzelnen Kapitel werden der Reihe nach verhandelt - bis zum Abschluss (frühestens 2014). Ständiges Monitoring soll die Fortschritte des Kandidaten bei der Anpassung an EU-Recht sichern. Und es soll Vorgaben für Einzelverhandlungen geben, die jedoch der Einstimmigkeit im Rat bedürfen.

Hoch ist auch die Hürde für den Abbruch der Verhandlungen: Die Kommission oder ein Drittel der EU-Länder müsste einen entsprechenden Vorschlag machen, den der Ministerrat mit "qualifizierter Mehrheit" (zwei Drittel der Stimmrechte) beschließen muss - in der Praxis kaum erreichbar. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18/19.11.2004)