Foto: Tchibo
Foto: Tchibo
Foto: Tchibo
Foto: Tchibo
"Weihnachten ist für uns gelaufen", sagt der Tchibo-Unternehmenssprecher. Das ist es für alle, mehr oder weniger, sagt darauf der Journalist. "Ja, aber ich meine Weihnachten 2005. Wir wissen, was da kommt."

Der Hamburger Tchibo-Konzern - und die 1997 übernommene österreichische Kette Eduscho - werden, das ist sicher, zu Weihnachten 2005 wieder einige Hunderttausend Tassen Kaffee an die Shopper verkaufen. "Ohne Kaffee geht es bei uns nicht, das haben wir x-fach getestet", sagt Sprecher Joachim Klähn im STANDARD-Gespräch. Doch womit Tchibo und Eduscho den Handel vor sich her- und die Käufer in die Filialen treiben, ist das so genannte "Non-Food-Angebot", also alles das, was man nicht essen kann. Und hier bieten sie jede Woche im Prinzip eine neue Welt. Dahinter stecken: eine sagenumwoben gute, hausinterne Produktentwicklung mit einer Armee von Trendscouts, das größte Logistikzentrum Europas und eine beinhart durchgezogenen Strategie. Über das Verhältnis zwischen Food und Non-Food schweigt man, Branchenkenner sagen, es betrage in etwa 40 zu 60.

Von der Metaebene betrachtet: Heutzutage gibt es vor allem zwei Entwicklungen im Einzelhandel, die wesentlich das Geschehen dominieren. Da ist einerseits der Diskont. Definiert wird dieser durch ein enges, genau abgezirkeltes Lebensmittelsortiment, wenig Breite, wenig Tiefe, meistens mit Handelsmarken - aber das alles mit überbetonten Kampfpreisen. Frequenz schaffen Hofer, Lidl, Penny und Co durch Einmalaktionen mit limitierten Non-Food-Produkten - klassisch mittlerweile: der "Hofer-Computer". Tchibo-Sprecher Klähn: "Wir sind kein Diskonter - schon wegen des Preisgefüges innerhalb unserer Warenwelten. Wir sind vielmehr ein Fachmarkt auf Zeit."

Die Steigerung der Auswahl ist durchaus erwünscht

Damit kommt man zur zweiten maßgeblichen Entwicklung, die aus einem Dilemma der Konsumenten besteht, und einem Lösungsangebot, das jene Firmen geben, die heutzutage zu den erfolgreichsten der Welt gehören: beispielsweise die beiden schwedischen Unternehmen Ikea (Wohnungseinrichtung) und Hennes & Mauritz (Bekleidung). Oder eben Tchibo / Eduscho - in Deutschland etwa größter Schmuckanbieter (wohlgemerkt nur vor Weihnachten) oder siebent- bis achtgrößter Textilanbieter bei unseren nördlichen Nachbarn, Eduscho in Österreich ist mit einem Marktanteil von 29 Prozent (mengenmäßig, laut der Marktforschung von Fessel-GfK) Nummer eins unter den Kaffeemarken im Handel. Jedenfalls: Die genannten Unternehmen bieten Komplexitätsreduktion. Denn einerseits wird die Auswahl für den westlichen Konsumenten in einer zunehmend vernetzten, globalisierten Welt stetig größer.

Die Steigerung der Auswahl ist durchaus erwünscht, gilt sie doch als ein Grund dafür, dass Einkaufszentren allen Appellen der kleinen Händler zum Trotz weiter boomen. Doch genau von dieser herbeigesehnten Auswahl wird der Mensch erdrückt. Das funktionierte in jüngster Zeit bei Mobiltelefonen mit drei einfach verständlichen Tarifmodellen. "Wir befreien dich von der Vielzahl", sagt der Tchibo-Sprecher. Das könnte doch ein Fachgeschäft auch, antwortet der Journalist. "Wir haben viele Fachgeschäfte gegen uns", sagt Klähn, "doch wir geben dem Fachhandel sicher auch Impulse." Der Unterschied sei, dass Tchibo in allem, was es angreife, diese Kompetenz habe. Die Zielgruppe ist dabei "jeder", so Klähn. Tchibo hat dabei eine eigene Handelsmarke - TCM. Darunter wird von Handys bis Schlafanzügen und Kochtöpfen die gesamte Bandbreite der wöchentlich wechselnden Warenwelten vermarktet. Tchibo lässt die Produkte natürlich bei namhaften Markenherstellern fertigen, wie üblich in der Branche wird dies aber versucht zu verdecken. Ein offenes Geheimnis ist es aber beispielsweise, dass hinter den technischen Geräten der einschlägig tätige deutsche Hersteller Medion in Mühlheim / Ruhr steckt, dieser ist auch Aldi/Hofer-Hauslieferant und verwendet wiederum Markenkomponenten etwa von Intel, Samsung, Sony, Philips oder Panasonic.

Tchibo ist im Eigentum der - heftig streitenden - Familie Herz

Es gab in der jüngeren Vergangenheit eine Ausnahme vom Tchibo-Erfolg, und die war öffentlich zu beobachten: die misslungene Open-Air-Konzertorganisation. Mit den "Diven" - Whitney Houston, Dionne Warwick und Natalie Cole - sind die Hamburger ordentlich eingefahren. Auch der Verkauf von Autos (Fiat Stilos) soll nicht so gut gelaufen sein, doch zu Verlusten oder Misserfolgen wird vom Familienkonzern nichts öffentlich gesagt. Tchibo ist im Eigentum der - heftig streitenden - Familie Herz. Günter Herz war bis vor zwei Jahren Vorstandschef von Tchibo, wurde aber trotz der Erfolge aus dem Amt gedrängt. Die Aktionäre streiten unter anderem darüber, was mit einer Beteiligung von Tchibo am Beiersdorf-Konzern ("Nivea") zu geschehen habe.

In Österreich will Eduscho-Geschäftsführer Harald J. Mayer weitere Filialen eröffnen - je nach Größe und Bevölkerungszusammensetzung einen Tchibo / Eduscho oder eine der beiden Marken separat. Das Non-Food-Angebot ist im Prinzip das gleiche, Unterschiede gibt es vor allem im Kaffeeangebot: Eduscho hat in Wien-Simmering die mit Abstand größte Rösterei in Österreich stehen und produziert dort hauptsächlich Kaffee aus Arabica-Sorten für den heimischen Gaumen. Tchibo gibt sich internationaler und bietet Kaffee aus Guatemala, Äthiopien oder Nigeria. "Wir sehen durchaus noch weiße Flecken in Österreich", so Mayer zum S TANDARD . Soll heißen: Zu den derzeit schon 160 Tchibo-und/oder Eduscho-Filialen sollen noch zehn bis zwanzig dazukommen. Tchibo expandiert indessen nach Osteuropa und vergrößert die Einkaufsmacht noch weiter. Der Fachhandel kann sich auf weitere "Impulse" freuen. Denn jedes Produkt, das "massefähig" sei, könnte von Tchibo angeboten werden. (Der Standard/rondo/Leo Szemeliker/17/12/2004)