Sao Paulo - Nicht nur die Vereinten Nationen erwarten, dass Brasilien innerhalb der nächsten zehn Jahre das wichtigste Agrarland der Welt wird, auch Brasiliens politische Agrarspitze hat sich dieses Ziel gesteckt. Der landwirtschaftliche Aufbruch der vergangenen Jahrzehnte sucht seines Gleichen: Seit 1980 wurde die Getreideproduktion von 50 auf 130 Mio. Tonnen hoch geschraubt, Soja und Mais werden in alle Welt exportiert, dazu Zucker, Baumwolle und Reis. Das subtropische Klima erlaubt mehrere Ernten pro Jahr. Aber viele der 3,8 Millionen Landwirte sind rückständig und haben weniger als 50 Hektar Land. Dafür bewirtschaften 10 Prozent der Bauern 80 Prozent des Landes.

Die Landwirtschaft spielt von jeher eine tragende Rolle in der brasilianischen Wirtschaft. Das Land ist weltweit führend in der Produktion von Kaffee, Zuckerrohr und Soja, ist einer der größten Maisproduzenten und liefert Kakao rund um den Globus. Zudem fördert Brasilien den Anbau aller Arten von Obst, von Tropenfrüchten im Norden bis hin zu Zitrus- und Traubenfrüchten in den gemäßigten Zonen des Südens. Bis zuletzt konnte das Land seinen Platz als größter Hersteller und Exporteur von Orangen und -saft erfolgreich verteidigen: Die brasilianischen Plantagen zeichnen für etwa 30 Prozent des Weltaufkommens verantwortlich. Auch konzentrierter Fruchtsaft ist zu einem wichtigen Exporterzeugnis avanciert.

170 Millionen Rinder

Auf der Liste der weltweit größten Hersteller von Rindfleisch rangiert Brasilien an zweiter Stelle und verfügt mit etwa 170 Millionen Tieren über den zweitgrößten Viehbestand. Rund 80 Prozent der Tiere dienen der Fleischerzeugung, 20 Prozent der Milchproduktion. Um ihre Märkte vor einem Überschwemmen mit brasilianischen Agrarprodukten zu schützen, haben vor allem die USA, aber auch die EU in den vergangenen Jahren viele Handelshemmnisse in Form von Subventionen, Quoten oder Zöllen eingeführt.

Agrar-"Zentrum" in den Cerrados Das agrarische Potenzial des Landes liegt in den so genannten Cerrados, die der afrikanischen Savanne ähnliche Zentralregion Brasiliens. Rund 200 Millionen Hektar flaches Land, davon mehr als die Hälfte tauglich für Ackerbau und als Grasland für die Viehzucht. Noch fehlt es dort aber an Straßen für die Trucks, Schienen für die Bahn, Wasserwege und Häfen für die Frachtschiffe zum Abtransport der Agrargüter. Nur in den Randlagen wird schon jetzt Reis angebaut, um den Boden aufzubereiten. Darauf folgt für zwei Jahre Soja, später Mais und nach acht bis zehn Jahren Baumwolle. Die konstanten Jahresmittel-Temperaturen von 20 Grad Celsius erlauben dort mit Bewässerung fünf bis sechs Ernten binnen zwei Jahren. Der Dünger kommt per Schiff aus Afrika.

Noch ist das Land dort billig, weil verfügbar: 100 Hektar im Süden kosten so viel wie 5.000 Hektar in den Cerrados. Die Produktionskosten für brasilianisches Soja betragen gerade mal zwei Drittel jener im US-Maisgürtel um Illionois. Experten zufolge sind die Cerrados für die Welternährung des 21. Jahrhunderts das, was der Mittlere Westen der USA im 20 Jahrhundert war. Die Regierung unterstützt dabei beide Farmmodelle - Familienbetriebe mit hoher Wertschöpfung, etwa mit Blumen, und die Großfarmen für die Agrarexporte.

Gentechnik gewinnt an Bedeutung

Eine immer bedeutendere Rolle in der brasilianischen Landwirtschaft spielt die Gentechnik. Während Präsident Henrique Cardoso 1999 Brasilien noch zur "Gentechfreien Zone" ausgerufen hat, musste sich nur vier Jahre später sein Nachfolger, Präsident Luiz Ignacio Lula da Silva, dem immer größer gewordenen Druck des Agrochemiekonzerns Monsanto sowie der starken Farmerlobby im Süden des Landes beugen und die Aussaat von gentechnisch manipuliertem Soja genehmigen. Mit einer erwarteten Ernte von 60 Mio. Tonnen für 2004/05 ist Brasilien nach den USA der zweitgrößte Sojaproduzent der Welt. In den vergangenen 15 Jahren hat sich die Produktion vervierfacht, der Ertrag wurde von 1.600 auf das US-Niveau von 2.800 Tonnen je Hektar gesteigert, so die Statistik des brasilianischen Agrarressorts.

Schon seit Jahren verwenden Zehntausende Bauern aus dem benachbarten Argentinien auch eingeschmuggeltes GVO-Saatgut, darunter auch Sojasorten von Monsanto. Inoffiziellen Schätzungen zufolge sollen zwei Drittel des Soja aus Südbrasilien bereits gentechnisch verändert gewesen sein. Mittlerweile wurde der Einsatz von Gentechnik hier zu Lande, im größten Agrarland Südamerikas, legalisiert. Viele brasilianische Bauern haben bereits auf der Hälfte ihrer Sojaflächen GVO-Saatgut angebaut, liegt doch der erhoffte Mehrertrag bei rund 25 Prozent. Neben Soja laufen daher bereits GVO-Versuche für Papayas, Bohnen und andere Pflanzenarten. (APA)