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Die gebürtige Bulgarin Dr. Elke Tschernokosheva ist die Leiterin der Abteilung Empirische Kulturforschung / Volkskunde des Sorbischen Instituts Bauzen.
dieStandard.at: Sie haben ihren Vortrag mit der Behauptung "Die Gemeinschaft könne von den Frauen lernen" begonnen. Impliziert solch eine Aussage nicht irgendwann eine natürliche Differenz?

Tschernokoshewa: Die Postcolonial Studies beschäftigen sich vor allem damit, wie solche Bilder zustande kommen. Das ist wichtig. Ich will auch zeigen, wie solche Bilder - durch Erziehung, durch das Umfeld und so weiter - entstanden sind, dass das keine biologische Sache ist. Wenn wir diese Bilder dekonstruieren, können wir sie in Frage stellen und darüber hinaus gehen. Weshalb ich ja auch meine am Anfang des Vortrags behauptete These, die Zukunft sei weiblich, am Ende wieder zurück genommen und auf "mehrgeschlechtlich" umgeändert habe.

dieStandard.at: Sie haben die Situation von Frauen mit der der MigrantInnen verglichen. Birgt dieser Blick auf zwei "Minderheiten" nicht auch Gefahren?

Tschernokoshewa: Dabei geht es vor allem darum, alle undominanten oder diskriminierten Gruppen in einen Zusammenhang zu bringen. Dass wir in der Gesellschaft über diese Minderheiten gemeinsam nachdenken. Für mich sind Frauen eine Minderheit, da es sich dabei ja um eine Frage der Macht handelt. Hier müssen Gemeinsamkeiten, die Parallelitäten betrachtet werden. Aber auch die Differenzen sind wichtig, die sozialen, zwischen den Frauen und zwischen den MigrantInnen.

dieStandard.at: Gibt es für Frauen auch so etwas wie einen "dritten Raum"?

Tschernokoshewa: Ja, ganz sicher. Wenn Frauen in die Wirtschaft oder in die Politik gehen, dann müssen sie auch dort in diesen patriarchalen Strukturen funktionieren, die von Männern konstruiert worden sind. Und dort versuchen, ihre Sichtweisen einzubringen und sozusagen zu transgendern.

Ein gutes Beispiel ist diese Tagung. Mittlerweile gibt es Frauen, die Wissenschaft betreiben, die sich zu solchen Konferenzen treffen und dort auch ihre Blickwinkel einbringen.

dieStandard.at: Wie steht es um die Gender Studies in Bulgarien?

Tschernokoshewa: Es gibt so interessante Forscherinnen und Frauen, die sich mit diesen Themen auseinander setzen, die aber eher am Rande der Gesellschaft stehen. Deshalb finde ich das auch so wichtig, dass wir Frauen im Westen uns mit diesen Frauen vernetzen. Oft ist es auch so, dass in den alten, etablierten Instituionen noch immer sehr konservative Menschen arbeiten. Viele Leute aus dem Westen treten dann zuerst mit denen in den Kontakt und brechen den Aufbau der Kontakte wieder ab.

(e_mu)