Jungliterat "grammadigg" beim Vortragen seiner Texte

Foto: Rottenberg
Anderen würden derartige Geständnisse vielleicht schwer fallen. Aber der junge Mann, der sich da mit einem Blatt Papier und unter dem Namen Grammadigg ("ja, das schreibt man so") hinter das Mikrofon der Wiener Szenebar Schikaneder klemmte, genoss sein Outing offensichtlich. Er laboriere, deklamierte der 25-Jährige mit fester Stimme, an einer "paraödipalen Suchtbeziehung zu Gerti Senger", sei sich aber in einem Punkt sicher: Seine sexuelle Obsession sei "nicht pervers, sondern nur deviant" - obwohl ihm eines doch zu denken gäbe: "Ich werde bei ,Willkommen Österreich' total horny."

Es war aber keine Selbsthilfegruppe, die sich da im Freihausviertel versammelt hatte, sondern ein Wettlesen eigener Texte von und durch Jungliteraten. Natürlich - es weihnachtet ja - karitativ: Zugunsten der Grande Dame der heimischen Flüchtlingshilfe, Ute Bock (www.fraubock.at), hatten die Spoken-Word-Scouts Diana Köhle und Mieze Medusa zum "Poetry Slam" (Mieze Medusa) geladen. Das Konzept: Wer will, der darf - und das Publikum stimmt drüber ab. Grammadiggs Autopsychogramm hob sich da wohltuend von schwülstigen Liebes-und zornigen Polittexten ab - obwohl man sich um jemanden, der gesteht, Martina Rupp verfallen zu sein, seit er an der Billa-Kassa ihren "Avocadocremeduft" inhalierte, vielleicht Sorgen machen sollte.

(DER STANDARD Printausgabe 11.12.2004)