Das menschliche Immunsystem ist ein hoch komplexes Abwehrsystem, das unterschiedliche Strategien einsetzt, um den Organismus vor schädlichen Eindringlingen (Antigenen) zu schützen. Eine der "Waffen" des Immunsystems sind B-Zellen, weiße Blutkörperchen, die im Knochenmark heranreifen. Sie tragen an der Zelloberfläche sogenannte Antigen-Rezeptoren, die als Immunglobuline bezeichnet werden. Jede B-Zelle erkennt ganz spezifisch nur ein Antigen. Insgesamt gibt es allerdings rund eine Milliarde verschiedener B-Zellen, daher findet sich praktisch gegen jeden Angreifer eine passende Abwehr, hieß es Donnerstag am späten Nachmittag in einer Aussendung des IMP.
Lösung des scheinbaren Paradoxons
Gäbe es für jeden Rezeptor ein eigenes Gen, so wären allein zur Produktion der B-Zellen bei weitem mehr Gene notwendig, als der Mensch insgesamt besitzt. Die Lösung des scheinbaren Paradoxons besteht darin, dass für jeden Antigen-Rezeptor mehrere Gensegmente zuständig sind. Auf den Chromosomen existieren bestimmte Bereiche, die jeweils Dutzende bis Hunderte solcher Gensegmente enthalten. Bevor ein Immunglobulin erzeugt wird, werden einzelne Teile aus den verschiedenen Bereichen nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und durch Enzyme miteinander verknüpft. Dieser Mechanismus, gemeinsam mit einer gewissen "Schlampigkeit" der Enzyme beim Verknüpfen, erlaubt beinahe unzählige Kombinationsmöglichkeiten.
Ist ein funktionsfähiger Rezeptor entstanden, so darf die Zelle einen "Checkpoint" passieren und ihren Entwicklungsweg fortsetzen. Schließlich wird noch sichergestellt, dass der Rezeptor nicht gegen körpereigenes Eiweiß gerichtet ist. Ist das der Fall, muss sich die Zelle durch programmierten Selbstmord eliminieren - andernfalls drohen Autoimmunkrankheiten.
"Allelische Exklusion"
Da beim Menschen von jedem Chromoson zwei Kopien vorliegen - ein väterlicher und ein mütterlicher DNA-Strang - müsste man annehmen, dass jede B-Zelle zwei verschiedene Rezeptortypen herstellt. Theoretisch könnte dann einer davon gegen ein bakterielles Antigen gerichtet sein, der andere gegen körpereigenes Gewebe. Dass dies nicht der Fall ist, wussten die Forscher bereits seit einiger Zeit. Sie nannten das Phänomen "allelische Exklusion", das heißt, dass jede B-Zelle immer nur einen einzigen Rezeptortyp herstellt.
Meinrad Busslinger vom IMP und Jane Skok vom University College in London konnten diese Mechanismen aufklären: Mit einer Technik namens FISH-Analyse konnten sie die Position einzelner Gensegmente im Zellkern verfolgen. Es zeigte sich, dass das DNA-Molekül Schlingen bildet, wodurch ursprünglich weit entfernte Bereiche in B-Zellen einander angenähert werden (Kontraktion). Somit können entfernte Gensegmente auf einem DNA-Strang zu einem Antigen-Rezeptor-Gen verknüpft und die dazwischen liegende DNA-Schlinge eliminiert werden.
Forschung