Wien - Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (V) hat am Donnerstag den Vorwurf der Grünen zurückgewiesen, wonach die Ausgaben für die Schulen in Wahrheit viel geringer seien als behauptet. Die Grünen hatten sich darauf berufen, dass die im Zuge der PISA-Studie genannten Pro-Kopf-Ausgaben nicht mit den Gesamtausgaben im Budget übereinstimmen würden. Gehrer betonte bei der Beantwortung einer Dringlichen Anfrage im Parlament, die Datenerhebung für PISA sei international genormt und werde von der Statistik Austria durchgeführt. Bei der Ermittlung der Pro-Kopf-Ausgaben würden die Ausgaben des Bundes für Personal, Verwaltung und Schulbau, die Länderausgaben für das Lehrpersonal, die Gemeindeausgaben für die Schulerhaltung und die Ausgaben für die Pensionsanteile sowie die privaten Ausgaben eingerechnet, erläuterte Gehrer. Das sei aber bei allen PISA-Ländern gleich. Grünen-Chef Alexander Van der Bellen hatte zuvor bei der Einbringung der Dringlichen von "schön geredeteten" Statistiken gesprochen. Es stimme gar nicht, dass Österreich überdurchschnittlich viel für die Bildung ausgebe. Die Einrechnung der Pensionsaufwendung ist für ihn eine "krasse Missinformation der Weltöffentlichkeit". Er betonte nochmals, dass Österreichs Abschneiden bei PISA "schlichtweg katastrophal" sei. Wenn 20 Prozent nicht richtig lesen könnten, sei das Heranwachsen einer "Hilfsarbeiterkolonne" in den nächsten Jahrzehnten zu befürchten. Hinsichtlich möglicher Schlussfolgerungen nach PISA gab sich Gehrer kurz angebunden. Bei Fragen nach den großen Unterschieden zwischen AHS- und Hauptschulschülern verwies die Ministerin lediglich auf beauftragte vertiefende Auswertungen. Auch die Frage einer späteren Segregation - Stichwort Gesamtschule - will sie erst zu einem späteren Zeitpunkt diskutieren. Nur so viel: Die Probleme seien in erster Linie durch Verbesserung der Unterrichtsqualität und nicht durch das "Austauschen von Türschildern" zu lösen. "Vehement" zurückgewiesen wurde von Gehrer der Vorwurf, das jetzige schlechte Abschneiden sei auf Stundenkürzungen zurückzuführen. Jene Schüler, die nun getestet wurden, seien von keinen Kürzungen betroffen gewesen, so Gehrer. Sie verwies auch auf eine Reihe von Maßnahmen, die man seit der letzten PISA-Erhebung gesetzt habe. Beim Ziel für die nächste PISA-Studie gab sich Gehrer vorsichtig: "Besser zu werden", laute die Devise.

Scharfe SP-Angriffe gegen Gehrer

Mit scharfen Angriffen von SP-Chef Alfred Gusenbauer ist Donnerstag Nachmittag Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (V) im Nationalrat bedacht worden: "Die Schule muss aus der Umklammerung der ÖVP befreit werden", meinte er im Rahmen der Debatte zur Dringlichen Anfrage der Grünen in Sachen PISA-Studie. Es sei bedrückend, dass die ÖVP mit ihrer Bildungsministerin "der Reformverweigerer Nummer eins in Österreich ist". Die Koalition brachte einen Antrag ein, der es zum Ziel hat, die parlamentarische Zwei-Drittel-Notwendigkeit in Bildungsfragen abzuschaffen.

Damit war die Koalition eigentlich auf einer Linie mit der SPÖ. Denn Gusenbauer meinte in Richtung ÖVP: "Beenden Sie ihre Blockade, wenn sie eine Zukunft für das österreichische Bildungssystem wollen." Dann sei auch die Zeit der ÖVP-Blockadepolitik "endlich" beendet und man könne sich von den "verzopften ideologischen Vorstellungen von Schulpolitik" verabschieden, tönte Gusenbauer. Denn die Kinder in Österreich seien nicht dümmer als in anderen Ländern und die Lehrer nicht schlechter - "aber wir haben eine Bildungspolitik von vorgestern".

Dem Koalitions-Antrag wird man laut Bildungssprecher Erwin Niederwieser aber trotzdem nicht zustimmen, da man den Entwurf noch nicht einmal gesehen habe, bevor er eingebracht worden sei.

FP-Bildungssprecherin Mares Rossmann wollte die Angriffe der SPÖ so nicht stehen lassen. Sie verwies darauf, dass die jetzt bei PISA getesteten Schüler noch unter einem SP-Unterrichtsminister (Rudolf Scholten) eingeschult worden seien. In Wahrheit habe die SPÖ blockiert: "Reden wir über den bequemen rot-schwarzen Proporz."

Als Ursache für das schlechte Abschneiden Österreichs beim PISA-Test sieht Rossmann unter anderem die gesamte gesellschaftliche Entwicklung. Heute in einer Zeit der Patchwork-Familien, wo oft zwei, drei Mal pro Jahr übersiedelt werde und der Exekutor vor der Tür stehe, seien die Kinder verunsichert und nicht entsprechend gefestigt, um dem Unterricht entspannt folgen zu können. Hinzu komme die verfehlte Integrationspolitik, die von der FPÖ schon früh angeprangert worden sei. Nicht mehr als ein Drittel Schüler mit nicht-deutscher Muttersprache seien für eine Klasse "vertragbar".

VP-Bildungssprecher Werner Amon appellierte an die Opposition, nicht das ganze System madig zu machen. Es gebe keinen Anlass dafür, dass die ganze Nation in eine Selbstgeißelung verfalle. Auch wurde von ihm darauf hingewiesen, dass durch Experten klar gestellt worden sei, dass es zehn Jahre dauere, bis sich gesetzte Maßnahmen auch auswirken.

Der Grüne Bildungssprecher Dieter Brosz ärgerte sich darüber, dass die ÖVP Begriffe wie Ganztagsschule diffamiere. Auch werde einfach erzählt, dass Deutschland ein Ganztagsschul-System habe. Dabei habe man dort eines der differenziertesten Syteme, das es gebe. An Gehrer stellte Brosz die Frage, ob es ihr nicht zu denken gebe, dass Österreichs Schüler laut PISA in Mathematik die geringste Motivation hätten: "Ist das Wohlfühlen, wenn sie sagen, Mathematik interessiert uns nicht und wir brauchen es nicht?" (APA)