"Warum nicht auch die Ukraine, wenn wir schon die Türkei aufnehmen?" Mit dieser Frage sei er zurzeit häufig konfrontiert, so der ehemalige slowenische Ministerpräsident Alojz Peterle bei der Veranstaltung "Die Europäische Union: Bilanz und Perspektiven", die am Dienstag von der Deutschen Botschaft in Wien in Kooperation mit dem Österreichischen Institut für Internationale Politik (OIIP) und dem STANDARD veranstaltet wurde. Für "mehr Europa in Europa" fehle insgesamt der politische Wille, so Peterle.

Der ehemalige ungarische EU-Kommissar Péter Balász betonte das geringe Ausmaß gemeinschaftlicher EU-Politik. "Aus chinesischer Sicht hat Europa einen kleinen Wasserkopf in Brüssel mit winzigem Budget. Die große Macht liegt bei den 25 Provinzchen", so Balász. Auch der Sonderkoordinator des Stabilitätspaktes für Südosteuropa, Erhard Busek kritisierte den Mangel an europäischem Geist, etwa die "nationalistische Geschichtsschreibung" und den nationalen Fokus der Medien. "Die Regierungschef werden nach dem Gipfel nur über ihre Siege für ihr Land befragt, statt zu erzählen, was sie für Europa erreicht haben."

Exminister Caspar Einem monierte: "Die Staats- und Regierungschefs sind in der europäischen Politik Amateure." Europäische Identität solle durch mehr Kulturpolitik gefördert werden, so der Tenor der Veranstaltung. "Die EU hat 40 Prozent des Kulturbudgets der Stadt Wien", so Busek.

Der Exgeneralsekretär des Außenministeriums, Albert Rohan, kritisierte die fehlende Kapazität der EU-Außenpolitik. Janis Emmanouilidis von der Bertelsmann-Forschungsgruppe meinte pessimistisch, weder in der Außen- noch in der Steuerpolitik werde es Gemeinschaftsmethoden geben. "Das Maximum an Zentralisierung ist erreicht." (awö/DER STANDARD, Printausgabe, 9.12.2004)