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San Jose - Fördert Online-Kommunikation die soziale Kompetenz oder behindert sie eher einen natürlichen Austausch? Über diese Frage streiten Experten. Ersten Erkenntnissen zufolge sind die Auswirkungen gar nicht so gravierend wie vermutet. Allerdings kann die Online-Kommunikation schon bestehende Verhaltensweisen bestärken.

Die Hochschulabsolventin Christina Rainie aus dem US-Staat Georgia versuchte drei Tage lang vergeblich, ihren Freund zu erreichen. Alle ihre Bemühungen scheiterten - ob über Telefon, SMS, E-Mail oder Instant Messaging. Als sie ihn dann am vierten Tag endlich erwischte, kam es zu einer hitzigen Auseinandersetzung, in deren Verlauf sie sich von ihm trennte. "Drei Tage? Das ist doch eine Ewigkeit", erklärt sie. Was bisher vielleicht überzogen erschien, wird allmählich normal. Es wächst eine Generation heran, die daran gewöhnt ist, nahezu sofort mit jedem in Kontakt treten zu können.

Erweitertes soziales Umfeld

Das soziale Umfeld wird durch die Online-Kommunikation grenzenlos erweitert. Aber es stellt sich auch die Frage, ob mit der Zunahme der indirekten, oft gesichtslosen Kommunikation nicht die Fähigkeit leidet, im wirklichen Leben zurecht zu kommen. "Wenn sie sich bislang schon nicht körperlich betätigt haben, dann führt das Internet dazu, dass sie gar nichts mehr machen", kritisiert Kaveri Subrahmanyam, Professor für kindliche Entwicklung an der Universität von Kalifornien. "Aber wenn sie schon aktiv sind, dann verstärkt das Internet das noch." Die 15-jährige Gabby McCone aus Seattle verbringt täglich Stunden mit Instant Messaging, aber sie ist auch in der Basketballmannschaft ihrer Schule und spielt Gitarre, die Noten dazu sucht sie sich oft im Internet.

"Das soziale Schmieröl sind heute die elektronischen Geräte", sagt Derek White von der Jugendwerbe- und Forschungsfirma Alloy. Die Teenager verbringen mehr und mehr Zeit online und vor dem Computer, andere soziale Aktivitäten sind dagegen rückläufig. White verweist auf eine Befragung von 13- bis 18-Jährigen in diesem Jahr, wonach im Vergleich zu 1997 die Zahl der Jugendlichen, die regelmäßig ausgehen, um fünf Prozent zurückgegangen ist. Zum Tanzen gehen sogar zehn Prozent weniger als vor sieben Jahren.

Beziehungen ausweiten

Entgegen vielen Annahmen kommunizierten Jugendliche online vor allem mit Menschen, die sie kennen, nicht mit Fremden, erklärt Elisheva Gross, Psychologin an der Universität von Kalifornien. Sie stürzen im Internet nicht in einen großes schwarzes soziales Loch, sondern weiten den Kreis ihrer Beziehungen ständig aus. "Man trifft sich mit Freunden, flirtet, zerstreut sich", sagt Gross.

Es ist schwer zu sagen, ob das Leben durch die neuen Medien reicher geworden ist. "Die Jugendlichen machen immer noch genau dasselbe" wie früher, sagt Subrahmanyam, "aber sie machen es anders als früher. Sie treffen ihre Freunde nicht mehr so oft von Angesicht zu Angesicht. Aber das hat sich ja auch bei uns geändert. Man kann halt Teenager von heute nicht mit Teenagern von vor zwanzig Jahren vergleichen." (APA)