Brüssel - Der Großteil der politischen Klasse Österreichs müsse der EU "im Kopf erst beitreten", zieht der grüne EU-Abgeordnete Johannes Voggenhuber eine kritische Bilanz der vergangenen zehn Jahre heimischer EU-Mitgliedschaft. "Die österreichischen Parteien liegen hinsichtlich ihrer Europäisierung im unteren Drittel im Vergleich zu den anderen Mitgliedstaaten. Da nehme ich keine Partei aus", betonte Voggenhuber im Gespräch mit der APA in Brüssel.

Besonders scharf kritisierte Voggenhuber das Auftreten österreichischer Bundesregierungen in Brüssel in den vergangenen Jahren. Diese hätten sich durch ein "fulminantes Desinteresse an Europa ausgezeichnet". So sei Österreich nicht Anwalt der EU-Erweiterung gewesen, sondern "als Letzter ins Boot gesprungen". Die "nationale Tragödie" um den Transitvertrag verschweige, dass heimische Regierungen die eigenen Frächter aus den EU-Beschränkungen für den Lkw-Verkehr stets ausnehmen wollten. In der Gesetzgebung im EU-Ministerrat habe lange "das Bild des leeren Sessels" auf Seiten Österreichs vorgeherrscht, nur um dann bei nationalen Großthemen zur "Veto-Keule" zu greifen.

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) habe gemeinsam mit dem früheren spanischen Ministerpräsidenten Jose Maria Aznar und dem italienische Regierungschef Silvio Berlusconi "das Bermuda-Dreieck Europas" gebildet, in dem europapolitische Ideen "ohne Echo verschwunden" seien, sagte der grüne Europaabgeordnete. Großbritannien und die skandinavischen Staaten hätten dagegen ihre EU-Skepsis stets deutlich artikuliert und verfügten selbst über "ein viel klareres Bild von Europa".

Als "traumatische Erfahrung" bezeichnete Voggenhuber die "Sanktionen" der 14 EU-Partner gegen die FPÖ-Regierungsbeteiligung im Jahr 2000. "Die Unvernunft und machtpolitische Willkür der Sanktionen ist auf die Unfähigkeit gestoßen, die Berechtigung der moralischen Empörung zu sehen." Insgesamt, so konstatiert Voggenhuber, habe Österreich noch nicht den Übergang von der Konsens- zur Konfliktkultur geschafft. Noch immer werde "der nationale politische Kleinkrieg" mit der Realität verwechselt.

Einige österreichische Persönlichkeiten hätten in den vergangenen zehn Jahren auch viel für Europa geleistet, so Voggenhuber. Dazu zählt der EU-Abgeordnete den früheren Kommissar Franz Fischler, den Stabilitätspakt-Koordinator für Südosteuropa Erhard Busek, den ehemaligen internationalen Bosnien-Beauftragten Wolfgang Petritsch und den Fraktionsvize der EU-Sozialdemokraten Hannes Swoboda. (APA)