Santo Domingo/Wien - Wenige Touristen, die dem europäischen Winter in die Dominikanische Republik entfliehen, sind sich dessen bewusst, dass im beliebtesten Fernreiseziel der Karibik hunderttausende Menschen ohne Rechte leben.

Es sind dunkelhäutige Wanderarbeiter und deren Kinder, die vor kurzem oder auch schon vor Jahrzehnten über die grüne Grenze aus dem benachbarten Armenhaus Haiti gekommen sind, vor allem um auf Zuckerrohrplantagen oder im Hotel- und Straßenbau zu arbeiten. Sie verdienen oft nur drei bis vier Dollar am Tag und hausen in Bateys genannte Barackensiedlungen, ohne Wasser und Strom.

Lage wird schlechter

Sie können jederzeit, wie es schon zehntausenden widerfahren ist, in ihr Herkunftsland deportiert werden. "Der dominikanische Staat hat ihnen die Bürgerrechte systematisch vorenthalten", formuliert es die Menschenrechtsorganisation Mudha, die sich seit zwölf Jahren für die rund 800.000 Dominiko-Haitianer einsetzt.

"In letzter Zeit ist die Lage sogar noch schlechter geworden", berichtete die Mudha-Leiterin Sonia Solaine Pierre während eines Aufenthalts in Wien dem STANDARD. Die Privatisierung von Zuckerrohrplantagen habe dazu geführt, dass die Arbeitskräfte, ihre Frauen und Kinder nun auch nicht mehr die bisher übliche Gesundheitsversorgung hätten. Das Aids-Virus breite sich unter den Zuwanderern besonders rasch aus, es gebe eine wachsende Zahl von Waisen, viele von ihnen unterernährt.

Auch die Nachfahren von seit Jahrzehnten ansässigen Haitianern hätten, entgegen der dominikanischen Verfassung und den internationalen Vereinbarungen, kaum eine Möglichkeit, dominikanische Staatsbürger zu werden. "Die Regierung sagt, die Arbeitgeber sollen ihnen helfen, doch die denken nicht daran, weil sie für illegale Arbeitskräfte keine Versicherung und keine Steuern zahlen müssen", meint Sonia Pierre, die selbst haitianischer Abkunft ist. Ihre Organisation bietet Betroffenen Beratung durch Anwälte an und hat etliche Fälle vor nationale und internationale Gerichtshöfe gebracht. Dennoch müsse in der Dominikanischen Republik, deren acht Millionen Bürger auf ihre überwiegend spanische Herkunft stolz sind, noch immer jeder Dunkelhäutige jederzeit damit rechnen, nach Haiti deportiert zu werden.

Pierre hat, von der österreichisch-dominikanischen Gesellschaft nach Wien eingeladen, im STANDARD schon 1998 die an Sklaverei gemahnenden Zustände geschildert. Damals wurde der Bericht von dominikanischen Zeitungen ausführlich zitiert. In Leitartikeln wurde dazu aufgefordert, die "antipatriotischen Mudha-Umtriebe zu stoppen".

Amnesty-Ehrung

Doch 2003 wurde Pierre speziell wegen ihres Einsatzes für Kinder als erste Frau der Karibik mit einem Menschenrechtspreis von Amnesty International ausgezeichnet.

"Und die stolz darüber berichtenden Zeitungen haben mich erstmals als ,Dominikanerin' bezeichnet", sagt Sonia Pierre, die seither auch von ihren Regierungsbehörden als Gesprächspartnerin ernst genommen wird. (Erhard Stackl, Der Standard, Printausgabe, 07.12.2004)